Bluttrinker - Bellem, S: Bluttrinker
er hatte das Gefühl, dass die Sehnen jeden Moment zerreißen würden. Schweiß trat ihm auf die Stirn und eine fingerdicke Ader wölbte sich gefährlich weit aus seinem Hals. Throndimar stieß ein lautes Knurren aus und trieb seinen Körper zu noch größerer Leistung an. Abermals entrang sich ein beinahe tierischer Laut seiner Kehle, und als der Stamm schließlich nachgab und sich in Bewegung setzte, brüllte er stolz seinen Triumph heraus, dass sämtliche Geräusche des Waldes für einen kurzen Moment verstummten.
Als er die kleine Hütte erreichte, hatte die Sonne ihren Zenit bereits lange überschritten. Throndimar schleifte seine Beute noch bis unter ein provisorisches Vordach, das er für genau solche Zwecke errichtet hatte. Dort würde der Stamm vor Regen geschützt sein und das Holz könnte in Kürze trocknen. Dann würde er den Stamm in mehrere Bretter aufteilen, die einen Teil der neuen Wände bilden sollten. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf, als er den Baumstamm betrachtete und in Gedanken die Bretter zählte, die er aus ihm gewinnen wollte.
Nicht genug, um diese Anstrengungen zu rechtfertigen, entschied er. Und er fasste einen weiteren Entschluss. Das Dach würde er aus Holz, Lehm und Stroh decken, der Anbau würde zum Teil aus Stein bestehen. Zumindest die beiden Wände, die er noch errichten musste. In den letzten Wochen hatte er den Unterstand sowie eine der langen Wandseiten gezimmert. Aber die Arbeit mit den Stämmen war mühselig. Das Holz zu trocknen, es zu spalten und dann die Fugen mit Lehm zu füllen – das alles nahm mehr Zeit in Anspruch, als Throndimar opfern konnte. Eine Steinmauer würde sich womöglich etwas schneller errichten lassen.
Nicht weit im Westen lag die Eisnadel und dort würde er mit Sicherheit mehr als genug Steine finden können. Und die zu schleppen wäre wesentlich einfacher, als jedes Mal einen so gewaltigen Baumstamm zu ziehen.
Plötzlich hörte er hinter sich das leise Geräusch von Füßen, die über den Boden schlichen. Er drehte sich blitzschnell um, gerade noch rechtzeitig, um den Krug Wasser zu erkennen, den Nemena ihm ins Gesicht schüttete. Kühles Wasser klatschte ihm gegen Mund, Nase, Augen und Wangen, durchtränkte sein Haar und wusch den Staub und Schweiß des Tages von ihm ab. Er vernahm Nemenas glockenhelles Lachen nur verzerrt durch die Wassertropfen, die ihm in die Ohren drangen, doch er konnte sich ihren Ausdruck lebhaft vorstellen. Er prustete und schüttelte den Kopf wie ein Hund, der aus einem Fluss stieg. Seine Haare verteilten ihre Nässe in Form von kleinen Tropfen, und als er damit aufhörte, wischte er sich mit der Linken zweimal über die Augen, um wieder klar sehen zu können.
Sein Herz machte einen freudigen Sprung, als er Nemenas Lächeln sah. Sie wurde von Tag zu Tag schöner, kein Zweifel. Throndimar schlang die Arme um sie und zog seine Geliebte fest zu sich heran.
»Nicht, du dreckiger Kerl!«, protestierte sie lachend.
»Du nennst mich dreckig?«, fragte Throndimar mit gespielter Empörung.
»Ja, wie ein Schwein. Und du stinkst wie ein ganzer Stall davon«, neckte sie weiter.
Weiße Zähne blitzten auf, als Throndimar den Mund zu einem breiten Grinsen verzog. »Dann sollte ich wohl besser baden gehen, nicht wahr?«, fragt er und Nemena nickte lachend.
Ihr Lachen verwandelte sich plötzlich in einen Protestschrei, als Throndimar sie weiter hochhob und sich wie einen Sack Getreide über die Schulter warf. »Lass mich runter!«, rief sie und hämmerte mit ihren Fäusten auf seinen breiten Rücken ein.
Der starke Mann schüttelte ihre Schläge einfach ab und lachte immer lauter, als sie beide sich zielsicher dem kleinen Fluss, der hinter der Hütte entlangfloss, näherten.
Nemena änderte ihre Taktik und ließ die Fäuste sinken. Stattdessen setzte sie eine ernste Stimme auf und drohte: »Untersteh dich, du ungehobelter Klotz. Oder ich …« Sie ließ den Satz unvollendet.
Throndimar hielt für einen kurzen Moment inne und tat, als würde er tatsächlich über ihre Drohung nachdenken. Einen Augenblick später lachte er nur umso lauter und rannte aus voller Kraft auf das Ufer zu.
Ungeachtet von Nemenas schrillen Protestbekundungen warf er sich gemeinsam mit ihr in das langsam fließende Wasser und beide tauchten komplett in dem kühlen Nass unter.
Prustend und schnaubend kamen sie wieder an die Oberfläche; nicht etwa weil sie zu viel Wasser verschluckt hätten, sondern weil sie beide sich lachend in den Armen lagen.
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