Bluttrinker - Bellem, S: Bluttrinker
Stammesangehörigen ihre volle Aufmerksamkeit. Manchmal glaubte Ondarin, dass seine Herrin jede Sorge zu ihrer eigenen machte, vor allem seit ihr Gemahl gestorben war.
Es ist deine Schuld, du nutzloser Idiot!
, schalt Ondarin sich dann selbst.
Wärst du ein besserer, ein mutigerer Heiler, dann wäre Lingalf noch am Leben!
Iphelia verlor niemals ein Wort darüber, doch Ondarin fürchtete, dass sie insgeheim ebenso dachte. Er beobachtete die Fürstin sehr genau. Seit sie von der Versammlung zurückgekehrt waren, ging es ihr wieder ein wenig besser, doch wenn sie abends erschöpft in ihrem Sessel saß, wirkten die kleinen Fältchen in ihrem Gesicht wie tiefe Furchen. Und in ihren Augen konnte er erkennen, dass sie über viele Dinge nachgrübelte.
Iphelia war keine leicht zu lesende Person, doch über die Jahre hatte Ondarin sie zu schätzen – in gewisser Weise sogar lieben – gelernt. Umso sorgenvoller beobachtete er nun, wie Iphelia darum kämpfte, ihre Augen offen zu halten.
Was immer es ist, das sie schwächt
, dachte Ondarin,
es belastet sie noch.
Ihr rotes Haar hatte seinen Glanz ebenso verloren wie ihr Blick. Mühevoll krallte sie sich in den Armlehnen des Sessels fest, versuchte, nicht abzurutschen.
Ondarin überlegte fieberhaft, wie er sie aus diesem Sessel und ins Bett bekommen könnte, ohne zu viel Aufsehen zu erregen.
Schließlich war es Rynessa, die ihm zu Hilfe kam, denn die Amme brachte die Nachricht, dass der junge Fürst Lingalf seit geraumer Zeit weine und nicht zu beruhigen sei. Stumm dankte Ondarin der zierlichen Frau, die ihm in jenem Moment wie ein Engel erschien.
Auch Iphelia atmete erleichtert auf, als sie die Audienz beenden konnte. Sie bot all ihre Kraft auf, um sich würdevoll zu erheben, und schritt dann aufrecht zu einer an der Seite gelegenen Tür, die in ihre Gemächer führte. Ondarin folgte ihr mit respektvollem Abstand, aber nahe genug, um sie bei einem möglichen Sturz noch zu erreichen.
Im Schlafzimmer angekommen half Ondarin Iphelia ins Bett und legte ihr behutsam ein Kissen unter die Beine. Er fühlte mit der flachen Hand auf ihrer Stirn, ob sie nun doch an einem Fieber litt, konnte aber nichts feststellen.
»Du weißt, dass ich kein Fieber habe«, sagte Iphelia schwach. Sie befand sich bereits wieder an der Schwelle zur Ohnmacht. »Es ist dasselbe Leiden wie bei meinem Gemahl«, sagte sie traurig.
Ondarin schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Herrin! Ihr werdet nicht dahinsiechen und sterben! Das werde ich nicht zulassen.« Und sehr kleinlaut fügte er hinzu: »Nicht dieses Mal.«
»Mach dir keine Vorwürfe«, sagte sie sanft und versuchte einen Arm zu heben. Ondarin ergriff ihre Hand und führte sie an seine Wange. »Du hast getan, was du konntest.«
Ondarin unterdrückte eine Träne. »Ich zweifle an mir. Und mich quält die Frage, ob ich ihn nicht hätte retten können.«
»Uns wäre sehr geholfen, wenn du einen Weg finden würdest, mich zu retten«, sagte sie mit einem matten Lächeln.
Ondarin straffte die Schultern. »Gut. Gehen wir davon aus, dass Euch dasselbe fehlt wie damals Eurem Gemahl«, begann er und schritt dabei auf und ab. »Gegen Ende konnte er kaum noch den Kopf heben.«
»Du machst mir nicht gerade Mut«, warf sie schwach ein.
»Auch er litt nie unter Fieber«, fuhr Ondarin fort. »Sein Körper versagte ihm einfach den Dienst.«
»Ich weiß noch, wie eingefallen seine Gesichtszüge waren. Und er war stets leichenblass.«
Ondarin blieb wie vom Blitz getroffen stehen. »Eingefallen … leichenblass …« Er wirbelte förmlich auf dem Absatz herum und seine Robe flatterte dabei wild umher. »Herrin! Das ist die Lösung! Er verfiel! Sein Körper zerfiel vor unseren Augen … Am Ende war er … er war wie ein lebender Toter«, schloss er traurig.
»Und
das
soll mir nun Mut machen?«, fragte sie ungläubig.
Ondarin schüttelte den Kopf. »Die Blässe und der Körperschwund«, sagte er fachmännisch, »beides hängt miteinander zusammen.« Er klatschte lautstark in die Hände. »Ab heute steht viel rotes Fleisch auf Eurem Speiseplan, Herrin!«
»Rotes Fleisch?«
»Krieger, die in der Schlacht viel Blut verloren haben, essen danach rohes Fleisch, um ihren Körper zu stärken«, erklärte er aufgeregt.
»Rohes Fleisch?« Iphelia klang wenig begeistert.
Ondarin sah sie bittend an. »Herrin, Ihr müsst es tun. Für Euren Sohn.«
Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu, doch im nächsten Moment wurden ihre Augen glasig. »Für Lingalf würde ich alles
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