Bluttrinker - Bellem, S: Bluttrinker
hätte. Der Obsidian war so glatt, als hätte man ihn jahrelang in mühsamer Kleinstarbeit poliert. Irgendwo, viele Fuß über dem Erdboden, konnte man kleine Balkone und Vorsprünge erkennen. Direkt vor ihm bildeten zehn Stufen eine kleine Treppe, die zu einem großen zweiflügeligen Tor führte.
»Das Arkanum ist beeindruckend, nicht wahr?« Ein Jüngling, gerade an der Schwelle zum Mann, stand neben ihm und beobachtete belustigt, wie Karandras den Obelisken anstarrte.
Er trug eine blaue Robe, die ihm viel zu groß war, das schwarze Haar hatte er in einem scharfen Mittelscheitel getrennt und mit Fett glatt an den Kopf gelegt. Blitzend weiße Zähne verrieten Karandras, dass der Junge in wohlhabenden Kreisen verkehrte. Seine Arroganz deutete weiters darauf hin, dass er der Sohn eines reichen Händlers sein musste oder eines Geistlichen, wenn man die Robe bedachte.
»Ihr könnt ruhig eintreten«, feixte er weiter und Karandras bedauerte zum ersten Mal, dass er nicht in Begleitung von Broggh und den anderen Trollen unterwegs war. Wie er den Anblick des Jungen, der von zwei Trollen zerrissen wurde, doch genießen würde.
»Die große Halle steht jedem Bittsteller offen«, lachte dieser.
Bittsteller?
, wiederholte Karandras in Gedanken. Unwillkürlich ballte er die Linke zur Faust, doch im letzten Moment gemahnte er sich daran, dass es für seine Pläne absolut notwendig war, nicht unangenehm aufzufallen.
Der Junge deutete Karandras’ Schweigen als Unsicherheit. »Ihr dürft nur den Magiern gegenüber keine Angst zeigen.«
»Eine Halle der Magier also«, schlussfolgerte Karandras leise.
Jetzt wurde der Junge stutzig. »Ihr habt noch niemals vom Arkanum gehört, kann das sein?«
»Eine Halle der Magier«, wiederholte Karandras lächelnd und erklomm schnellen Schrittes die zehn Stufen, die zum Eingangstor in den Obelisken führten.
Ohne zu zögern, trat er durch die Öffnung und fand sich im Inneren des Obelisken wieder. Abgesehen von einigen bronzenen Fackelhaltern und Kohlebecken bestand auch der Innenraum des Turms einzig aus dem schwarzen Höllenstein. Kleine Schreibpulte waren im Raum verteilt und so gut wie alle mit Robenträgern besetzt. An manchen Pulten standen zudem noch einfache Bauern oder Händler, doch der Großteil der Personen in der Halle waren eindeutig Magier.
Am anderen Ende konnte Karandras einen breiten Durchgang ausmachen. Er bemerkte, dass der Junge ihm ins Innere gefolgt war. »Wo ist die Bibliothek?«, fragte Karandras, ohne seinen Begleiter anzublicken.
»Verteilt auf die übrigen Stockwerke …«
Karandras wartete das Ende des Satzes nicht ab und schritt entschlossen auf den Durchgang zu, hinter dem er das Treppenhaus vermutete.
»He!«, protestierte der Junge. »Dort ist nur Magiern der Zugang erlaubt.
Aurelion, gib mir die Kraft, diese Unwürdigen zu ertragen
, flehte Karandras. Dann drehte er sich kurz um und manifestierte die dunkle Macht des Göttervaters in einem magischen Stoß, der den Jungen von den Beinen riss.
»Ihr … Ihr seid ein Magier!«, rief der Junge überrascht aus.
»Offensichtlich«, antwortete Karandras knapp.
»Ich bin Tarvin«, stellte sich der andere vor und rieb sich dabei den Hintern.
»Tarvin … bist du ein Schüler hier?«, fragte Karandras.
Der Junge warf sich stolz in die Brust. »Ich werde von Meister Gordan persönlich unterrichtet. Es gibt keinen mächtigeren Magier auf Kanduras«, prahlte er.
»Gordan«, wiederholte Karandras den Namen, um ihn sich einzuprägen. Wenn der Junge ihn als einen mächtigen Mann anpries, dann wäre er in dessen Nähe besser vorsichtig.
»Ganz recht«, fuhr Tarvin fort. »Meister Gordan ist momentan im Norden. Er hilft diesen Idioten dort bei ihren Streitigkeiten.«
»Welchen Idioten?«
Tarvin legte einen Finger an die Lippen. »Also, Ihr habt noch nie vom Arkanum gehört und Ihr wisst nicht, dass der nördliche Kontinent in ständige Streitereien verstrickt ist … Woher kommt Ihr?«
Karandras lächelte schmal. »Du bist ein sehr aufmerksamer Junge, Tarvin.«
»Und Ihr seid mir die Antwort schuldig.«
Karandras überlegte kurz, wie weit er sich vor dem Jungen aus dem Fenster lehnen durfte, und entschied schließlich, dass es besser war, nicht zu viel zu sagen. »Osten. Ich war auf der Suche nach meinesgleichen.«
»Nun«, Tarvin machte eine ausladende Handbewegung, »hier habt Ihr uns gefunden.«
Karandras täuschte ein breites Lächeln vor. »Zeig mir mein Zimmer, Tarvin.«
»Ich werde Meister
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