Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
Vom Netzwerk:
Ketten und zog den
Bügel des Vorhängeschlosses auseinander. Eindringlich betastete er die Wunde
und das Gesicht seines besinnungslosen Sohnes, ohne darauf zu achten, dass er
in einer Blutlache kniete. Schließlich unterzog er den wolkenverhangenen Himmel
einer kurzen Musterung.
„Wir müssen hier weg“, entschied er, lud sich Lukas auf die Schulter und
stapfte los.
     
    Der Regen traf Tonys Gesicht, Kopfhaut und Hände wie
Eisnadeln. Ihre viel zu dünne Kleidung war bis auf die Haut durchnässt und sie
zitterte am ganzen Körper. Sie stolperte von einem aufgeweichten Erdklumpen zum
nächsten, mechanisch, denn ihre Füße, in den durchweichten Schuhen, spürte sie
schon lange nicht mehr.
    Die Gestalt vor ihr schwankte, fiel beinahe. Eine starke
Hand ergriff Noras Arm und hielt sie, bevor sie in den schlammigen Acker
stürzte.
„Ich kann nicht mehr“, japste Nora. Ihre Stimme war kaum wiederzuerkennen vor
Erschöpfung. „Es tut mir leid. Ihr müsst mich hier lassen.“
Johann sagte kein Wort. Er verlagerte das Gewicht seines Sohnes und hob seine
leise schluchzende Gefährtin über die andere Schulter. Unermüdlich wie ein
Roboter, nur ein wenig langsamer, setzte er seinen Weg fort. Tony folgte ihm
notgedrungen.
    Der helle Streifen, den die Morgendämmerung an den Himmel
warf, war deutlich breiter geworden. Das diffuse Licht erlaubte ihr grade erst
halbwegs zu erkennen, wohin sie eigentlich lief.
Dem Bluttrinker verursachte die Strahlung bereits Probleme. Tony sah es an
Johanns zusammengekniffenen Augen. Deshalb überraschte es sie nicht, dass sie
den Umriss zuerst entdeckte, der sich gegen den östlichen Horizont abzeichnete.
„Da! Siehst du das? Ein Gebäude!“
„Bist du sicher?“
Johann kniff die Augen noch weiter zusammen, aber es nützte nichts. Das
UV-Licht war stark genug um ihn zu blenden. Entsetzt registrierte Tony, wie
sich seine helle Haut auf Stirn und Nasenrücken rötlich verfärbte. Hinter den
Regenwolken ging bereits die Sonne auf!
    „Es sieht wie eine Scheune aus.“
Johann schlug die Richtung ein, die Tony ihm gewiesen hatte. Sie stolperte
hinter ihm her.
     
    Die Scheune erwies sich als baufälliges Fachwerkgebäude. Das
große, halbrunde Tor stand offen und ließ sich nicht vollständig schließen. In
sämtlichen Fensterscheiben war das Glas zerbrochen. Läden gab es keine. Dennoch
flüchteten sie sich in den nach Stroh und Moder riechenden Innenraum.
Hinter einer Wand aus unordentlich aufeinander getürmten Strohballen bildete
ein Heuboden eine löchrige Decke. Sie konnten nur hoffen, hier genug Dunkelheit
zu finden, um die beiden Bluttrinker zu schützen.
Tony sah noch, wie schräg einfallende, orangerote Sonnenstrahlen die Gerippe
der Fenster im vorderen Bereich der Scheune trafen. Das war in letzter Minute
gewesen! Sie beeilte sich, die schmale Lücke in der Strohwand mit einer
muffigen Decke zu verhängen.
    Johann bettete Lukas in einen Haufen losen Strohs, der wie
durch ein Wunder trocken war. Die völlig erschöpfte Nora hockte benommen neben
ihm. Tony ließ sich unmittelbar hinter der improvisierten Tür zu Boden sinken.
„Können wir hier bleiben?“ Johann nahm, ebenso wie sie, die Ritze in Wänden und
Decke in Augenschein.
„Wenn der Himmel bedeckt bleibt, müsste es gehen.“
Er nahm eine Handvoll Stroh auf und begann, einen besonders breiten Riss in der
Außenwand zu stopfen, als er plötzlich innehielt.
„Da ist ein Wohnhaus.“
Tony taumelte auf die Füße und an seine Seite, um ebenfalls durch den Spalt zu
spähen.
    Das Haus lag etliche Hundert Meter entfernt, war aber
deutlich besser in Schuss als ihr Unterschlupf. In zwei Fenstern im Erdgeschoss
brannte Licht. Aus der Richtung, aus der sie gekommen waren, hatte die Scheune
die Sicht darauf versperrt.
„Sollen wir schnell dorthin laufen, bevor es noch heller wird?“
Johann schüttelte den Kopf. „Es ist bereits zu hell und wir wissen nicht,
welche Situation und wie viele Menschen wir dort antreffen. Fürs Erste sind wir
hier sicher.“
Mit einem besorgten Blick streifte er seinen Sohn. Lukas murmelte etwas
Unverständliches und warf den Kopf hin und her, als quäle ihn ein Albtraum,
aber er wachte nicht auf. Nora umklammerte hilflos seine Hand.
    „Dieser miese kleine Wichser scheint mehr Schaden
angerichtet zu haben, als ich gehofft habe.“ Johann strich durch das
blutverkrustete Haar an seiner Schläfe. Von der Platzwunde war nichts mehr zu
sehen.
„Bis heute Abend wird Lukas wieder bei sich sein. Dann haben wir

Weitere Kostenlose Bücher