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Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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bevorstehenden Dämmerung war
für menschliche Augen noch kaum sichtbar. Doch er genügte, um Johann das Blut in
den Adern gefrieren zu lassen.
Der Himmel war bedeckt und ein eisiger Nieselregen begann sie zu durchnässen.
Das würde ihre Qualen nur verlängern.
Wenn man schon im Licht der Sonne verbrennen musste, war ein klarer, sonniger
Tag eine Gnade. Innerhalb weniger Stunden wäre alles vorbei gewesen. Aber dies
würde nicht schnell gehen.
    Ein unterdrückter Schmerzenslaut riss ihn aus seinen
Gedanken.
„Nora?“
Es entlockte ihm eine schmerzliche Grimasse, wie besorgt seine Stimme klang. Er
tat grade so, als könnte die Bedrohung, die über ihnen schwebte, noch größer
werden.
    „Scheiße!“ hörte er seine Gefährtin schimpfen.
Nun, wenn es einen passenden Zeitpunkt gab, ihre gute Erziehung zu vergessen,
so war er zweifellos gekommen.
Johann bemühte sich, den Kopf zu verdrehen, bis er die beiden Frauen sehen
konnte.
„Ich komm nicht ran“, beschwerte sich Tony. „Jetzt hab ich‘s!“
„Lass das Ding bloß nicht fallen. Aua! Ist egal. Mach weiter, verdammt!“
Der köstliche Duft von Noras Blut traf Johanns Sinne. Was ging da vor? Die
Frauen bewegten sich hektisch, zerrten an ihren Fesseln und – streiften sie ab.
Sekunden später kniete Nora an seiner Seite, betastete seine blutbeschmierte
Stirn. Johann drehte abwehrend den Kopf. „Das ist nichts!“
    Nora nestelte in ihrem aufgetürmten Haar herum. Sie brachte
eine Haarnadel zum Vorschein und machte sich damit über das große, stählerne
Vorhängeschloss her, mit dem Breitner Johanns Ketten zusammengezurrt hatte. Er
entdeckte die frische Schnittwunde auf ihrem Handrücken.
„Was habt ihr gemacht?“
Nora ignorierte ihn.
„Tony! Komm her! Hilf Lukas!“
Tony verharrte wie gelähmt neben dem Baumstamm, von dem sie sich soeben befreit
hatten.
„Er braucht dringend dein Blut.“ Nora stocherte verbissen in dem Schloss herum.
„Er ist tot!“, brachte Tony hervor.
Nora raffte die letzten Reste ihrer Kraft zusammen und antwortete so geduldig
sie konnte. „Er lebt und er braucht dich. Du musst ihn trinken lassen!“
Zögernd kam Tony näher.
„Lukas lebt!“ Johann verdrehte den Hals, um die Geliebte seines Sohnes
anzusehen. „So leicht sterben wir nicht.“
    Tony ließ sich neben Lukas dunkelblondem Haarschopf auf die
Knie sinken. Gequält stöhnte sie, als ihr Blick an der blutüberströmten Wunde
haften blieb, die in seiner Bauchdecke klaffte. Sie wusste nicht, ob sie sich
übergeben oder ohnmächtig zusammenbrechen würde.
Johann redete mit seiner tiefen, erstaunlich beruhigenden Stimme auf sie ein.
„Er braucht jetzt dein Blut, Tony. Wenn er frisches Blut bekommt, kann die
Heilung einsetzen.“
„Oh!“ Nora blickte kurz von ihren Bemühungen auf, um Tony einen winzigen
Gegenstand in die Hand zu drücken.
„Ein Adermesser?“ Johann begriff. Damit hatten die Frauen ihre Stricke
durchtrennt.
„Lukas hat es mir gestern erst gegeben. Er sagte, es wäre ein
Weihnachtsgeschenk.“ Ein verzweifelter Schluchzer entrang sich Tonys Kehle. „Er
atmet nicht mehr! Wie soll er trinken?“
„Du musst das Messer benutzen. Ein kleiner Schnitt reicht schon. Wenn er dein
Blut riecht, wird das seinen Beißreflex auslösen.“
Tony blickte zwischen Johann, ihrem reglosen Geliebten und der winzigen Klinge
hin und her. Ehe sie zu viel darüber nachdenken konnte, stach sie sich mit dem
Dorn in den Hals. Der Schmerz war scharf, aber belanglos, verglichen mit dem,
der in ihrem Herzen tobte. Als sie ihre Hand wegnahm, war sie bereits voller Blut.
Und Lukas regte sich.
Der Duft ihres Blutes durchdrang seine Bewusstlosigkeit. Er kam nicht wirklich
zu sich, doch sein Körper bewegte sich von selbst in die Richtung der
vertrauten Quelle. Sein Oberkörper richtete sich auf, so weit die Ketten es zuließen.
Er wandte sich ihr zu und öffnete die Lippen. Tony sah, wie seine Fänge in
voller Länge ausfuhren. Erleichtert seufzend beugte sie sich über ihn und
drückte ihren blutenden Hals gegen seinen Mund.
    Minuten später zogen starke Hände sie vorsichtig aber
bestimmt von ihrem Geliebten weg. In dem rauschhaften Gefühl, das sie
ungeachtet der Umstände in seinen Bann gezogen hatte, war Tony völlig
entgangen, dass es Nora gelungen war, Johann zu befreien.
„Das muss genügen“, entschied Lukas Vater. „Sonst muss ich euch beide tragen.“
    Jetzt, da Johann seine Kräfte voll einsetzen konnte, hatte
Noras Haarnadel ausgedient. Er ergriff die Enden von Lukas

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