Bluttrinker (German Edition)
könnt ihn nicht finden?“
„Naja, Nora und Evelyn haben alles abgesucht. Sie kennen sich hier am besten
aus. Sie sind sich ziemlich sicher, dass er sich nicht mehr im Hauptquartier
aufhält.“
Lukas spürte eine Welle aufsteigender Übelkeit. Ihr Plan war
ohnehin Wahnsinn. Niemand mochte ernsthaft darüber nachdenken, wie ihre Chancen
tatsächlich standen.
„Glaubst du, er würde uns noch mal verraten?“
Lukas schüttelte den Kopf, aber es war keine Verneinung - es war Hilflosigkeit.
„Ich weiß es nicht. Er war vorhin hier drin, als der Anruf von Johann kam. Er
weiß, dass seine Gefährtin tot sein muss.“
„Vielleicht will er in die Sonne gehen.“
„Mitten in der Nacht? Verdammt, ich hätte daran denken sollen, dass wir auf ihn
aufpassen müssen.“
Maike legte Lukas die Hand auf den Arm.
„An was willst du denn noch alles denken? Wenn der Kerl wirklich nichts
Besseres zu tun hat, als uns zu verraten, dann hoffe ich nur, dass er möglichst
elend eingeht!“
Lukas lächelte unwillkürlich. Maike hatte Marius bisher offenes Mitgefühl
entgegengebracht.
„Falls er uns verraten hat, können wir es nicht mehr ändern. Sag Sophia, dass
sie mich um punkt halb drei ablösen soll, ja!“
Lukas zog das Headset über die Ohren. Auf dem Schaltbrett vor ihm blinkten
schon wieder mehrere Lampen.
Maike verließ den Raum nach kurzem Zögern. Lukas hatte
recht. Es gab wenig, was sie noch zusätzlich tun konnten.
Die Gefährtin begab sich auf direktem Wege zum Schießstand,
wo sich die übrigen Frauen bereits versammelt hatten. Jamal nickte ihr zu, als
sie den Raum betrat und Karol hielt ihr den Kolben einer Maschinenpistole unter
die Nase.
Sie blickte sich um und stellte fest, dass die anderen Gefährtinnen mit der
gleichen Waffe ausgestattet waren. Sie alle beäugten die Mordinstrumente
misstrauisch und hielten sie vorsichtig, wie rohe Eier. Maike nahm die Waffe
behutsam entgegen und hätte sie beinahe fallen lassen. Dieses grässliche Ding
war schwer.
Karol grinste schief.
„Diese modernen Waffen kann man kaum noch als Gewehr erkennen“, behauptete er.
„Und dem Gewicht nach besteht dieses Spielzeug aus Plastik.“
„Die MP 7“, vernahm Maike die dozierende Stimme ihres
Gefährten, „wird gerne für den Nahkampf und mittlere Entfernungen eingesetzt.
Sie ist sehr leicht und einfach zu handhaben.“
„Leicht?“ Samantha, die neben ihr stand, seufzte.
Wie sie alle hatte auch Arnes Gefährtin versucht, sich praktisch zu kleiden. In
der Hose und dem übergroßen Sweatshirt sah sie aus wie ein kleines Mädchen, das
in die Kleidung seines Vaters gestiegen war. Maike hatte Samantha nie zuvor in
etwas anderem als langen, farbenfrohen Kleidern gesehen. Noch fremder erschien
ihr Anblick, weil sie ihre enorme Mähne dunkler Locken im Nacken zu einem
strengen Zopf zusammengebunden hatte. Ohne ihr buschiges Haar wirkte sie
winzig.
Jamal fuhr ungerührt fort.
„Der Rückstoß ist gering, was euch zugutekommen wird. Deshalb habe ich sie für
diese Aktion ausgewählt. Und keine Angst. Ihr müsst nicht treffen. Ich will
nur, dass jede ein paar Mal abgedrückt hat, damit ihr ein Gefühl dafür
bekommt.“
„Okay!“ Jamal wandte sich Tony zu, die geduldig neben ihm
wartete. „Mit der MP 7 ist Einzel- und Dauerfeuer möglich. Wir fangen mit einem
Einzelschuss an.“
Jamal nahm seine eigene Waffe und demonstrierte Tony, wie sie anlegen sollte.
„Das ist der Abzug, die Sicherung und hier musst du durchsehen. Den Abzug mit
Gefühl durchziehen, klar! Nicht zu hart, aber auch nicht zu zögerlich. Das ist
wie beim Sex.“
Tony warf dem Bluttrinker einen leicht entnervten Du-kannst-es-einfach-nicht-lassen -Blick
zu und hob ihre Waffe an.
„Dann probier es jetzt mal.“
Tony hatte gut aufgepasst, ahmte seine Bewegungen exakt nach und schien mit dem
Gewicht der Maschinenpistole keine Probleme zu haben.
„Prima“, kommentierte Jamal. Er trat einen Schritt zur Seite
und begutachtete ihre Haltung. „So ist es richtig. Immer festen Stand nehmen.
Heute werden keine Punkte für damenhaftes Benehmen verteilt. Jetzt schau durchs
Visier! Höher, höher!“
Jamal hob den Lauf mit der Hand ein wenig an, bis Tony die Zielscheibe in Form
eines menschlichen Umrisses am anderen Ende des lang gestreckten Raumes ins
Visier bekam.
„Ah!“ machte sie, als sie endlich sah, was sie sehen sollte.
Sie nahm die Waffe noch einmal herunter und legte sie erneut an.
„Okay.“ Sie fand die konzentrischen Kreise wieder. „Jetzt hab
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