Bluttrinker (German Edition)
abgelöst“, erklärte Lukas. „Wir müssen
einen Augenblick abgelenkt gewesen sein.“
„Ich merke es, wenn du lügst!“
Lukas ging auf den Vorwurf nicht ein. „Ist alles glattgegangen?“, fragte er
angespannt.
Johann schloss einen Moment die Augen. Er fürchtete zu verstehen, warum Lukas
ihn nicht kontaktiert hatte. Mühsam beherrscht antwortete er seinem Sohn: „Wir
haben keine Verluste. Bodo und Helmar sind tot. Etienne, Jan und Anhang konnten
lebend befreit werden. Wir sind auf überraschend geringen Widerstand gestoßen.
Aber das weißt du bereits, nicht wahr?“
Kurzes Schweigen, dann ein tiefes Seufzen.
„Ja. Sie sind hier.“
Die Nachricht vom Sieg der Jäger traf um ein Uhr dreißig im
Hauptquartier ein. Lukas nahm den Anruf persönlich entgegen. Er und Sophia
hielten sich im Kommandoraum auf und koordinierten die Vorbereitungen ihres
Planes. Wie zu erwarten war, schöpfte Johann sofort Verdacht. Lukas hätte
lachen mögen, als er die misstrauische Stimme seines Vaters hörte, hätte er
nicht solche Angst vor den nächsten Stunden gehabt.
Die Panik, welche unter Johanns zur Schau gestelltem Zorn
lag, verstand sein Sohn nur zu gut. Johann wusste sehr wohl: Was auch immer
grade in seinem Hauptquartier geschah, er konnte nur hilflos aus der Ferne
zusehen.
Eine dritte Lampe auf der Anzeigentafel begann zu blinken.
Drei Anrufer waren in der Leitung, mit Anfragen, die ihren Verteidigungsplan
betrafen.
Lukas überschlug die Möglichkeiten, die ihnen blieben.
Es verlangte ihn danach, seinem Vater von der Bedrohung zu berichten, der sie
sich gegenübersahen. Er wollte dem mächtigen Bluttrinker, in dessen Hände er
stets, ohne zu zögern, sein Leben legen konnte, alles erzählen und ihm die
Verantwortung zurückgeben, die er noch vor Stunden nicht zu schätzen gewusst
hatte. Aber ein Blick auf die unerbittlich weiterlaufende Zeitanzeige belehrte
ihn eines Besseren. Weder sein Vater noch die anderen Jäger vermochten
irgendetwas für sie zu tun! Selbst bei größter Eile konnten sie Frankfurt erst
in den Morgenstunden erreichen. So lange mussten sie alleine zurechtkommen. Wie
auch immer.
Er konnte es sich nicht einmal erlauben, die Zeit zu verschwenden, die es
brauchte, um seinen Vater über die Ereignisse aufzuklären. Ohne Zweifel würde
Johann eigene Ansichten und Strategien vorbringen. Lukas blieb nicht die Zeit,
all die vorangegangenen Diskussionen erneut mit Johann durchzufechten. Sie mussten
sich ranhalten, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollten.
„Es tut mir leid. Wir tun unser Bestes. Wir haben einen
Plan, aber es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Tut mir leid, wirklich!“
Damit warf Lukas seinen Vater aus der Leitung.
Jeremias hörte schweigend zu, wie Johann mit seinem Sohn
telefonierte. Obgleich er Lukas lautstark verfluchte, nachdem dieser die
Verbindung einseitig unterbrach und sich nicht mehr meldete, wusste Jeremias,
dass Johann das Gleiche getan hätte. Doch im Augenblick war es weder für Johann
noch für viele der übrigen Jäger möglich, logisch zu denken.
„Johann!“
Jeremias autoritäre Stimme riss den Bluttrinker aus seinem Zornausbruch. „Du
machst dich sofort auf den Rückweg nach Frankfurt. Du nimmst alle mit, die dort
ihre Gefährtin zurückgelassen haben. Ich werde hier bleiben, zusammen mit
Matthias und den anderen, die ungebunden sind.“
Einen Moment lang starrte Johann seinen Anführer an, als hätte er kein Wort
verstanden.
„Wir werden zu spät kommen.“ Johanns Stimme war ein gequältes Flüstern.
„Das weißt du nicht. Ihr könnt nur euer Bestes tun. Wie Lukas gesagt hat.“
„Er hat nicht die Spur einer Chance.“
„Wir wissen nicht, was geschehen wird.“
Die Mehrzahl der Jäger hatte die Villa bereits verlassen,
als Matthias Etienne die Hintertreppe herunter in die Küche begleitete. Er sah
noch immer blass und ausgemergelt aus, aber er hatte sich, nach mehreren
ausgiebigen Blutmahlzeiten, wieder in der Gewalt.
Sue Lee sprang auf und fiel Etienne stürmisch um den Hals. Auch Thomas erhob sich,
um den Bluttrinker zu umarmen.
„Du siehst Scheiße aus“, bemerkte er und versuchte ein Grinsen.
„Danke.“ Etiennes Lächeln geriet zu einer Grimasse. „Du auch!“
Etienne sah auf Yvette hinab, die seinen Blick mit einem schwer zu deutenden
Ausdruck erwiderte.
„Was machen wir jetzt mit Jan?“, fragte Matthias.
Jeremias spürte den Widerwillen des Jägers, der zurückgeblieben war. Seine
Gedanken waren mit Johann und den anderen auf
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