Bluttrinker (German Edition)
den Ausläufern des Wäldchens brachen dunkle Gestalten hervor, bewegten sich
ebenso schnell wie die Fahrzeuge und eröffneten das Feuer.
„Deckung!“, schnauzte Lukas Samantha an. Die Gefährtin
rutschte bereits vom Sitz und kauerte sich im Fußraum zusammen. Tony lag
ausgestreckt auf der Rückbank und gab kaum gezielte Schüsse ab. Sollte sie
wirklich einen der Angreifer treffen, wäre es reiner Zufall gewesen.
„Verdammt!“
Lukas Fuß auf dem Gaspedal zuckte, als er die Scheinwerfer sah, die vor ihm
aufblitzten. Sofort trat er das Pedal wieder durch. Wer oder was auch immer das
war, anzuhalten konnte ihren Untergang nur beschleunigen.
Er rechnete damit, dass die entgegenkommenden Fahrzeuge -
schnell erkannte er, dass es mehrere waren - versuchen würden ihn zu rammen.
Offenbar hatten die Alten Götter Verstärkung angefordert!
Umso verblüffter war er, als der Fahrer im ersten Wagen ihm
mit dem Blinker zu verstehen gab, dass er links an ihm vorbei fahren würde.
Einen Augenblick überlegte Lukas, ob die Jäger es doch geschafft haben konnten,
den Weg von Dresden so schnell zurückzulegen. Aber das war völlig
ausgeschlossen!
Dann raste auch schon eine scheinbar endlose Reihe dunkler Limousinen an ihnen
vorbei.
Lukas konnte nur hoffen, dass die Wächter in den folgenden
Wagen geistesgegenwärtig genug waren, seine Blinkzeichen richtig zu
interpretieren. Drei Fahrzeuge hinter ihm stoben Funken auf und ein Jeep geriet
ins Trudeln. Offenbar hatte er einen der fremden Wagen gestreift. Lukas sah im
Rückspiegel, wie einige der Limousinen aus der Fahrzeugkette ausscherten und
anhielten. Bluttrinker in schwarzen Kampfmonturen, mit schweren Klingen und
klobigen Pistolen bewaffnet, brachen daraus hervor: Ratsgardisten!
Konnte es sein, dass sich der Rat endgültig auf die Seite der Alten Götter
geschlagen hatte?
Doch gleich darauf rieselte die aufbrandende Panik wie Sand aus ihm heraus. Die
Gardisten stellten sich den Flüchtenden nicht in den Weg. Im Gegenteil: Sie
verwickelten ihre Verfolger in Schusswechsel und banden ihre Kräfte.
Schließlich endete die lange Reihe schwarzer Wagen doch
noch. Hinter ihnen nahm der Kampflärm schnell an Heftigkeit zu. Lukas hob den
Fuß vom Gaspedal, als er am Straßenrand eine weitere dunkle Karosse halten sah.
Daneben wartete ein Mann, den er kannte.
Lukas schaltete die Warnblinkanlage ein und brachte den
Kombi neben diesem Bluttrinker zum Stehen. Hinter ihm stoppte der Konvoi der
Flüchtenden.
Ein paar Reifen quietschten und zwei Fahrzeuge wichen von
der Straße ab. Sie rutschten in die seitlich aufgetürmten Schneehaufen, um
einem Auffahrunfall zu entgehen. Kurz biss Lukas die Zähne zusammen, doch das
befürchtete Scheppern einer Massenkarambolage blieb aus. Er zwang die
angehaltene Luft aus seinen Lungen und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Vorbei! Es ist wirklich vorbei! Neben ihm tauchte Samantha aus dem Fußraum auf und kletterte auf den Sitz
zurück. Ihr Gesicht drückte genau das aus, was er empfand: ungläubiges
Erstaunen, dass sie noch lebten.
Er stieß die Fahrertür auf und stieg aus, als er Tony hinter sich herumkrabbeln
hörte. Die Fondtür kam ihm entgegen, bevor er sie aufreißen konnte und Tony
sprang heraus, in seine Arme.
Immer mehr Wächter und Gefährtinnen stiegen aus ihren
Fahrzeugen und liefen umher. Lukas gelang es minutenlang nicht, sich
aufzuraffen, etwas anderes zu tun, als Tony festzuhalten.
Schließlich riss er sich los.
Bei aller persönlichen Erleichterung, es war seine Verantwortung.
Er löste sich sanft aus der Umarmung und spähte zum Ende der
Wagenschlange. Die meisten Gefährtinnen, deren Gesichter er sehen konnte,
wirkten ein wenig desorientiert. Das konnte er ihnen nicht verübeln. Im Grunde
fühlte er sich ähnlich. Jedenfalls schien niemand ernstlich verletzt zu sein.
Jamal war bereits auf dem Weg zu ihm nach vorne, blickte in die einzelnen
Wagen.
Vorläufig beruhigt wandte Lukas sich Antonius Enrique zu.
Der Ratsherr löste sich von der Wagentür, an der er gelehnt hatte, und kam ihm
ein paar Schritte entgegen. Lukas tat es ihm gleich und zog Tony mit sich.
„Du bist Lukas, nicht wahr? Johanns Sohn.“
„Antonius.“ Lukas neigte pflichtschuldig den Kopf. Eine
Geste der Ehrerbietung, die der Vorsitzende des Rates von jedem Bluttrinker
einfordern konnte. Außerdem hatte das Eingreifen seiner Truppen sie zumindest
vor Verlusten bewahrt, wenn sie nicht sogar den meisten von ihnen das Leben
gerettet hatten.
Allerdings
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