Bluttrinker (German Edition)
konnte Lukas die Zweifel an Antonius Motiven nicht so schnell
abzuschütteln. Zu viel war in den vergangenen Wochen vorgefallen.
Dann traf sein Blick durch die Scheiben des Wagens auf eine
verhärmte Gestalt, die in sich zusammengesunken auf der Rückbank saß: Marius!
Er hatte sie also nicht verraten!
„Ich danke dir für deine Hilfe.“
„Wir alle sollten Marius danken. Ich hatte in der Gegend Truppen stationiert,
um das Hauptquartier zu überwachen. Allerdings hätte es ohne Marius
Intervention wohl zu lange gedauert, bis wir erkannt hätten, dass ihr Hilfe
benötigt. Ich fürchte, ich bin deinen Leuten mehr schuldig als das.“
Antonius Stimme klang dumpf. Er war kein Mann, der es
gewohnt war, sich zu entschuldigen. Dennoch begriff Lukas, dass seine Worte
genau das bedeuteten.
Sein Blick blieb wieder an Marius hängen, der vor sich hinstarrte und nicht
mitzubekommen schien, was um ihn herum vorging. Plötzlich fiel Lukas etwas ein.
„Antonius, in fünf Minuten wird das Hauptquartier mit
Giftgas geflutet!“
Der Bluttrinker reagierte sofort. Er klopfte gegen die getönte Scheibe und gab
seinem Chauffeur eine kurze Anweisung.
Lukas wartete nicht, um zu hören, was der Mann in sein Funkgerät sprach. Jamal
tauchte neben ihnen auf.
„Haben wir Verluste?“, fragte Lukas.
„Nichts, was nicht verheilen würde. Ein paar Schusswunden bei den Wächtern,
Schrammen und Blutergüsse bei den Frauen. Nora hat sich wahrscheinlich den
Knöchel gebrochen. Chantal kümmert sich um sie.“
Lukas sank gegen Antonius Limousine. Jetzt konnte er
aufatmen. Er genoss es, wie Tony seine sprachlose Umarmung erwiderte. Es war
weder Freude noch Triumph, sondern abgrundtiefe Erschöpfung, die sich in ihm
breitmachte.
Weiter hinten waren noch immer Schüsse zu hören. Die Ruhe,
mit der Antonius über Funk Meldungen entgegennahm stellte klar, dass die
Ratsgardisten sich bereits als Sieger sahen. Sie befanden sich deutlich in der
Übermacht.
Maike kam auf sie zu, fiel ihrem Gefährten um den Hals. Ihre
Jacke war zerrissen, aber darunter schien sie unverletzt.
„Ich möchte dich um etwas bitten, Lukas“, sagte Jamal leise, über Maikes
blonden Haarschopf hinweg. „Ich möchte für dich sprechen, wenn du aufgenommen
wirst.“
Lukas Gesicht verzog sich zu einer erschöpften Grimasse, die eigentlich ein
Lächeln hätte werden sollen.
„Es wird mir eine Ehre sein, Jamal!“, antwortete er.
47
Tony kickte die Schuhe von den Füßen und ließ sich in das
ausladende Sofa sinken. Noch mehr komfortable Sitzgelegenheiten möblierten den
lang gestreckten Raum, der einmal der Bauch eines alten Flusskahns gewesen war.
Jetzt glich er einem geräumigen Wohnzimmer. Hinter den Reihen der Bullaugen
waren die gleichen dunklen Rollos angebracht, die sie von ihrer Penthousewohnung
kannte.
„Magst du etwas trinken?“ Lukas ging in die offene Küche und
zog eine Flasche spanischen Sekt aus dem Kühlschrank.
„Ja, sehr gern. Ich wird ´s brauchen.“
Der Korken sprang aus dem Flaschenhals, prallte gegen die Decke und hinterließ
eine winzige Delle in der Verkleidung. Sekt schäumte über Lukas Hemdsärmel.
„Warum sagst du das?“
Tony zuckte die Schultern und beobachtete, wie ihr Geliebter ein langstieliges
Glas füllte. Lukas überreichte ihr den Sekt, während er sich neben sie setzte.
„Das war doch ein angenehmer Ferientag. Ich hatte den Eindruck, dass es dir
gefallen hat. Hab ich mich getäuscht?“
„Nein!“
Tony nahm einen Schluck. Es kam ihr kaum noch merkwürdig vor, alleine zu essen
oder zu trinken. Noch nicht einmal beim Abendessen in dem schicken Restaurant,
in dem ihr eine fantastische original Mandarin Küche serviert worden war. Nach
einer Bootsfahrt durch die Grachten war sie mit Lukas bis in die frühen
Morgenstunden durch die Straßen gewandert. Lukas zeigte ihr romantische Plätze
und Ausblicke und gab sich besondere Mühe, ihr diesen Amsterdamaufenthalt so
angenehm wie möglich zu gestalten. Allein dieses Hausboot war ein Traum.
„Es ist alles wundervoll. Einfach perfekt. Aber wir sind aus
einem bestimmten Grund hier. Das stimmt doch?“
Lukas schaute ein wenig verlegen drein.
„Na schön, du hast mich erwischt. Irgendwann muss ich es dir ja sowieso sagen.
Warum nicht jetzt gleich. – Eigentlich wollte ich dich zuerst noch den Tag über
in diesem Jacuzzi verwöhnen. Ich schätze, das wirst du nicht zulassen, bevor
wir uns unterhalten haben?“
Tony nickte bedächtig.
„Lukas, bevor du irgendetwas sagst ... nein, lass
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