Bluttrinker (German Edition)
ihr Rock war hochgeschoben, Strümpfe und Unterwäsche grob herunter
gezerrt. Das rote Haar breitete sich wie eine Wolke um ihr bleiches,
bewusstloses Gesicht aus.
„Hör mal, Ricardo ...“
Peter trat vor, verstellte dem wütenden Bluttrinker den Blick auf Jan.
Lukas stutzte. Das war ja was ganz Neues! Peter stellte sich
vor einen Schwächeren?
„Beinahe hätte ich es vergessen“, zischte Ricardo, beißenden Hohn in der
Stimme. „Du bist ja der Trottel, der die Weiber abgefüllt hat, bis sie
umfallen.“
Jan schob sich an Peter vorbei. Seine Angst vor dem wesentlich Stärkeren
dünstete ihm aus jeder Pore. Dennoch trat er dem riesigen Artgenossen
entschlossen entgegen.
„Du kannst mir die Schuld geben oder sonst wem. Elli vertraut mir. Was sie
betrifft, ist die Party zu Ende.“
Ricardo reckte sich zu seinen vollen ein Meter achtundneunzig, verschränkte die
Arme und funkelte auf Jan hinab.
Der Streit hatte längst die Aufmerksamkeit aller auf sich
gezogen. Lukas sah sich um, wollte sichergehen, dass seine Kameraden
geistesgegenwärtig genug waren, die Sterblichen vor diesem neuerlichen Auftritt
abzuschirmen.
Elli war nicht die einzige, die wesentlich mehr als zuträglich getrunken hatte.
Schwer zu beurteilen, ob eine der Frauen noch mitbekam, was vor sich ging.
„Denkst du, ich lasse mir von einem Schlappschwanz wie dir sagen,
was ich zu tun habe? “, brüllte Ricardo. „Sie vertraut mir! Passt
zu dir, dass du dich mit deinem Essen anfreundest. Ist ja auch kein Wunder, bei
einem, der sich von seinem Essen ficken lässt.“
Ricardo musste betrunkener sein, als Lukas geglaubt hatte.
So kannte er seinen Freund nicht, dass er einen Kameraden, der ohnehin am
unteren Ende der Hackordnung stand, grundlos demütigte. Männliche Blutwirte
vorzuziehen, galt unter Bluttrinkern nicht als Makel. Ricardos Bemerkung war
dennoch ehrenrührig.
Das hatte weniger mit Sex als mit Körpersprache zu tun. Einem anderen den
ungeschützten Nacken darzubieten - und darunter fiel eindeutig auch, jemandem
vornüber gebeugt den Rücken zuzuwenden - war eine Geste vollständiger
Unterwerfung. Ein Bluttrinker unterwarf sich keinem Sterblichen!
Lukas ergriff Ricardos Arm, was ihm sofort seine ungeteilte
Aufmerksamkeit einbrachte. Die Aufmerksamkeit dieses vor Wut schäumenden Riesen
war nichts, dem sich viele Artgenossen absichtlich aussetzen würden.
Lukas betrachtete es als seine Aufgabe, den Spanier zu beruhigen, wenn er sich
in sein cholerisches Temperament verrannte. Zumeist gelang ihm das ziemlich
gut. Außerdem fühlte Lukas sich frustriert. Das waren sie beide, auch wenn er
nicht verstand, warum Ricardo schlechte Laune hatte. Der Spanier war sein
ältester Freund. Der Gedanke, mit einer gepflegten Prügelei ihren Frust
abzubauen, erschien Lukas zunehmend verlockend.
„Ricardo, hör auf mit dem Scheiß.“ Lukas sprach ruhig und
ernst, begegnete entschlossen seinem Blick - und erschrak. Ricardos Augen waren
blutunterlaufen und traten aus ihren Höhlen hervor. Der Ausdruck seines
verzerrten Gesichts ging weit über die üblichen Wutanfälle hinaus, die sie alle
von ihm kannten.
Er sieht aus, als hätte er sich seit Wochen nicht mehr genährt. Dieser Gedanke war natürlich kompletter Blödsinn. Mit Sicherheit hatte
Ricardo nicht weniger getrunken als Etienne. Darin bestand wahrscheinlich das
Problem. In der Unmenge Alkohol, die Peter so leichtsinnig ins Spiel gebracht
hatte.
Lukas empfand es als ausgesprochen beruhigend, Peter
verantwortlich zu machen. Die Schweißperlen, die aus Ricardos tiefschwarzem
Haar tropften und seine Hände, die merklich zitterten, passten nicht so recht
zu dieser Erklärung. Ein Gedanke, den Lukas in dem Moment verdrängte, in dem er
auftauchte.
Hinter Ricardos Rücken nutzte Jan die Ablenkung, um die
besinnungslose Elli auf die Arme zu nehmen und aus dem Raum zu tragen. Alle
Anderen beobachteten gebannt Ricardo und Lukas.
„Nimm deine Pfoten von mir, Kleiner. Ich warne dich nur
dieses eine Mal.“
Adrenalin und Testosteron rauschten in Lukas Kreislauf, weit mehr als ein
menschlicher Organismus verkraftet hätte. Ein gewaltiges Gefühl, das ihm jedes
Interesse nahm, besänftigend auf den Freund einzuwirken.
„Wenn du dich zum Affen machen willst, ist das deine Sache. Aber solange ich
hier bin, halten wir uns an ein paar Regeln.“
Lukas Stimme klang eine gute Oktave tiefer. Seine Muskeln verdichteten sich
unter dem Hormonansturm. Die beiden Bluttrinker umkreisten einander in wenigen
Schritten
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