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Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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würden
alles vorbereiten.
    Was die Arbeit seiner Assistenten betraf verlangte Jeremias
stets hundert Prozent. Die Männer, die unter seinem Kommando standen, wussten
das und handelten entsprechend. Schließlich war es eine Ehre, für den großen
Alten persönlich zu arbeiten.
    Nur Bluttrinker mit besonders ausgeprägten psychischen
Fähigkeiten kamen für die Arbeit als Jäger in Betracht. Jeder Jäger musste in
der Lage sein, sich völlig unbemerkt unter den Sterblichen zu bewegen. Jeremias
war weniger als ein Schatten, wenn er das wollte. Allein sein Alter machte ihn
stärker, als die meisten seiner Art. Niemand vermochte ihn gegen seinen Willen
aufzuspüren. Auch seine physischen Kräfte waren mit den Jahren gewachsen,
derweil die Anfälligkeit für UV-Strahlung soweit nachgelassen hatte, dass er
sich in der Dämmerung länger unbeschadet im Freien aufhalten konnte als jeder
andere Bluttrinker.
Diese Gabe würde er heute wohl nicht brauchen. Die Fähre würde, als eine der
letzten, pünktlich gegen Mitternacht eintreffen. Es blieb ihm mehr als genug Zeit,
den Flüchtigen zu überwältigen und zur Burg zu bringen, bevor die Sonne
aufging.
Jeremias vertrieb sich die Wartezeit, indem er die Menschen beobachtete, die es
zu dieser Jahreszeit ans Wasser zog. Im Vergleich zur Sommersaison lag der
Fährhafen in einem Dämmerschlaf. Nur die bevorstehenden Feiertage trieben die
Sterblichen dazu, die Fährverbindungen zwischen England und dem Festland zu
nutzen.
Jeremias wanderte auf die Mole hinaus, blickte über das dunkle Wasser des
Hafenbeckens, ließ sich den nasskalten Wind um die Nase wehen und fragte sich,
was Breitner wohl auf die Inseln führen mochte.
     
    Unbemerkt musterte Jeremias jeden Passagier, der zu Fuß die
Fähre verließ. Er hatte Breitner nur kurz gesehen, als der Bluttrinker von der
Strafe, zu der Johann ihn verurteilte, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war.
Dennoch würde er ihn von Weitem erkennen. Aus reichlicher Erfahrung wusste er,
dass der Mann auch heute, Monate nach dem Vollzug des Urteils, von Brandnarben
gezeichnet sein musste. Aber das war nicht das einzige Identifikationsmerkmal.
    Für einen mächtigen Telepathen wie ihn war es leicht, einen
anderen an seinen typischen persönlichen Gedankenmustern zu identifizieren. Die
Fähre hatte noch nicht angelegt, als er bereits mit seinen in Jahrtausenden
geschärften Sinnen erkannte, dass sich ein Artgenosse an Bord befand. Ein
Bluttrinker, der einen Großteil seiner Konzentration auf die Bemühung
verwandte, sich abzuschirmen. Er fühlte sich keineswegs sicher, fürchtete eine
zufällige Entdeckung.
Seinen Coup mit der früheren Blutwirtin hielt er für gelungen. Damit, gezielt
verfolgt zu werden, rechnete er nicht.
    Obwohl der flüchtige Verbrecher sich zu schützen versuchte,
verlor er zuweilen die Kontrolle über seinen Gedankenstrom. Besonders wenn ihn
seine triebgesteuerte Seite beherrschte. So erging er sich zeitweise in
drastischen Erinnerungen, wie er die Frau, der er diese Überfahrt verdankte,
vor Jahren zu seiner Blutwirtin gemacht hatte. Eigentlich hatte er es auf die
drei kleinen Kinder der jungen Witwe abgesehen.
Als Breitner gefasst wurde, konnten die Jäger der Mutter nur die Erinnerung an
die bestialische Art und Weise nehmen, auf die ihre Kinder den Tod fanden. Den
Verlust ihrer Lieben konnten sie ihr nicht ersparen. Deren Existenz gänzlich
aus der Erinnerung der Menschen und vor allem der modernen Bürokratie zu
löschen, wäre eine schier unlösbare Aufgabe gewesen.
An diesem Schicksalsschlag war die Frau, die kurz zuvor erst ihren Mann
verloren hatte, zerbrochen.
Jeremias hatte seinen Assistenten bewusst nicht näher befragt, wie diese
Sterbliche in die Ereignisse, die zu Breitners früherer Verhaftung führten,
verstrickt war. Jetzt wusste er es detaillierter, als ihm lieb sein konnte.
    Es war einer der schwerwiegendsten Nachteile starker
telepathischer Kräfte. Für die Gedanken und Gefühle der Umwelt offen zu sein
war oftmals kein Vergnügen. Insbesondere wenn man es mit mordgierigen Bestien
zu tun hatte.
Jeremias besaß viele Fähigkeiten, doch er war den Erinnerungen und Absichten
derer ausgesetzt, die seinen Weg kreuzten, denen der Opfer und denen der Täter.
Damit musste er leben, wie er von jetzt an mit der Erinnerung an die
Reminiszenzen dieses psychopathischen Kinderschänders leben musste.
     
    Wie die meisten seiner Art war Jeremias ein Kontrollfreak.
Er spürte, wie sie alle, die animalische Stärke des

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