Blutvertrag
erwartete, war dunkelblau, nicht weiß, sah aber sonst praktisch genauso wie das Fahrzeug aus, das er hinter dem Café zurückgelassen hatte.
Egal, wie man den biederen Pkw beleuchtet und in Szene gesetzt hätte, sportlich hätte er nie ausgesehen. Unter den tief und schnell dahinziehenden Wolken, im merkwürdig träumerischen Licht der Straßenlaternen und im Wind, der die Schatten der Jacarandabäume durch die Nacht peitschte, wirkte der dunkelblaue Chevrolet kraftvoller als sein weißes Gegenstück. Der Unterschied gefiel Krait.
Der Schlüssel steckte in der Zündung. Auf dem Beifahrersitz lag ein Aktenkoffer.
Krait musste nicht in den Kofferraum schauen, um zu wissen, dass dieser einen kleinen Koffer enthielt.
Obwohl es zwei Minuten nach halb drei Uhr morgens war, fühlte er sich überhaupt nicht müde. In Erwartung einer langen Nacht mit Linda Paquette hatte er bis vier Uhr nachmittags geschlafen.
In wenigen Minuten würde er wissen, wo er sie und ihren selbst ernannten edlen Ritter finden konnte. Lange vor Morgengrauen würde Timothy Carrier dann bereits genauso so vertraut mit dem Erdboden sein wie jene Helden, die an der Tafel von König Artus gesessen hatten.
Dass Carrier Mut bewiesen hatte und gut mit Schusswaffen umgehen konnte, fand Krait zwar faszinierend, aber Angst machte es ihm nicht. Was geschehen war, hatte sein Selbstvertrauen nicht im Mindesten beeinträchtigt, und er hatte momentan nicht vor, mehr über diesen Kerl herauszubekommen.
Je mehr er über seine Zielpersonen wusste, desto eher erfuhr er womöglich den Grund, weshalb man sie beseitigen wollte. Und wenn er zu viel darüber wusste, dann käme irgendwann einmal der Tag, an dem man auch ihn beseitigen wollte.
Carrier war zwar durch Zufall zu einem Ziel geworden, doch Krait fand es trotzdem klug, sich an die üblichen Regeln zu halten.
Falls die Frau nicht ebenfalls lange vor Morgengrauen tot war, dann würde sie zumindest schon in Kraits Händen sein. Er würde nicht so pfleglich mit ihr umgehen, wie er es vielleicht getan hätte, wenn sie zu Haus geblieben wäre und akzeptiert hätte, was auf sie zukam.
Nur wegen ihr und diesem dämlichen Maurer hatte Krait schließlich den Becher mit Papageiengriff eingebüßt, der ihm so gut gefallen hatte.
Wenigstens hatte er noch die Tube mit diesem ausgezeichnet wirkenden Lippenbalsam.
Er ließ den Motor an, und das Armaturenbrett leuchtete auf.
ZWEITER TEIL
Zur rechten Zeit am falschen Ort
18
Das kleine, fünfstöckige Hotel stand schon seit vielen Jahren auf einem Steilhang an der Küste. Bougainvillea mit Ästen, so dick wie Baumstämme, überzog das Spalier am Eingang mit violetten und roten Tupfen, und der Wind trieb Konfetti aus Blütenblättern über das Pflaster.
Eine Viertelstunde nach Mitternacht hatte Tim an der Rezeption gestanden und im Meldebuch Mr. und Mrs. Timothy Carrier eingetragen, während die Frau hinter der Theke seine Kreditkarte durch den Schlitz des Lesegeräts zog.
Sie hatten ein Zimmer im zweiten Stock. Durch eine Schiebetür aus Glas gelangte man auf einen Balkon mit zwei schmiedeeisernen Stühlen und einem Tischchen. Der Abstand zum nächsten Balkon betrug etwa einen Meter.
Unter dem düsteren Himmel breitete sich pechschwarz das Meer aus. Wie grauer Rauch trieb der Schaum auf den sanften Wellen heran und löste sich auf dem aschfahlen Strand auf.
Im Norden und vor dem Hotel standen mächtige Dattelpalmen, die der Wind so stark zum Rauschen brachte, dass man die leichte Brandung kaum hörte.
Am Geländer stehend blickte Linda in Richtung des westlichen Horizonts, der unsichtbar blieb. »Heutzutage kümmern sie sich nicht mehr darum.«
»Wer kümmert sich nicht mehr worum?«, fragte Tim, der neben ihr stand.
»Die Leute an der Rezeption kümmern sich nicht darum, ob man verheiratet ist oder nicht.«
»Ach, ich weiß. Trotzdem fand ich es irgendwie nicht richtig.«
»Du hast meine Ehre gewahrt, was?«
»Ich glaube, das kannst du schon selbst.«
Sie wandte den Blick von dem unsichtbaren Horizont ab und sah Tim in die Augen. »Es gefällt mir, wie du sprichst.«
»Inwiefern?«
»Ich kann das beste Wort dafür nicht so recht finden.«
»Und du schreibst Bücher.«
Sie überließen den Balkon dem Wind, gingen hinein und schlossen die Schiebetür.
»Welches Bett willst du?«, fragte er.
Sie schlug die Tagesdecke zurück. »Das hier ist schon okay.«
»Ich bin einigermaßen überzeugt, dass wir hier sicher sind.«
Sie runzelte die Stirn. »Wieso
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