Blutvertrag
breitgemacht, und es würde nicht die Stille des Gebets oder der Kontemplation sein, sondern die des Nichts. Dann war das Werk getan.
Im dunklen Wagen sitzend, wartete Krait auf die Information, die er angefordert hatte. Um 3.37 Uhr empfing er eine kodierte Textnachricht.
Timothy Carrier hatte seine Kreditkarte in den vergangenen zwölf Stunden zweimal verwendet, zuerst, um eine Tankfüllung zu bezahlen. Später, vor knapp dreieinhalb Stunden, hatte er sie an der Rezeption des Hotels vorgelegt, in dessen Nähe Krait nun parkte.
Weil das Hotel zu einer Kette gehörte, die über ein landesweites, computergestütztes Buchungssystem verfügte, waren Kraits Helfer in der Lage gewesen, noch präzisere Informationen einzuholen. Mr. und Mrs. Carrier verbrachten die Nacht in Zimmer 308.
Das Mr. und Mrs. amüsierte Krait. Was für eine stürmische Romanze.
Als er sich vorstellte, wie die beiden zusammen in einem Hotelzimmer lagen, fiel Krait ein, dass man ihn gebeten hatte, die Frau zu vergewaltigen.
Das wollte er auch durchaus tun. Er hatte schon Frauen vergewaltigt, die weniger attraktiv waren. Mit so etwas hatte er noch nie ein Problem gehabt, wenn es der Wunsch der Leute war, die ihn um etwas ersuchten.
Außerdem hatte er große Lust, ihr in jede ihrer Körperöffnungen das zerknüllte Poster zu stecken, das er in ihrem Schlafzimmer aus dem Rahmen gerissen hatte.
Leider hatte sich die Dynamik seiner Mission verändert. Erfahrungsgemäß konnte man in den seltenen Fällen, in denen das Überraschungsmoment verloren war, nur noch zum Erfolg kommen, wenn man rücksichtslos brutale Gewalt anwandte.
Um an die Frau heranzukommen, musste er wahrscheinlich erst einmal diesen Carrier abknallen. Dabei wurde sie womöglich von einem Querschläger getroffen. Und wenn sie schrie und Widerstand leistete, blieb Krait keine andere Wahl, als sie zu erschießen, ohne sie zu vergewaltigen.
Das war dann auch in Ordnung. Unter den gegebenen Umständen war es eben das, was er erreichen konnte. Zwei weitere Tote waren ein Fortschritt auf dem Weg zu einem Tag mit leeren Straßen, zur Stille eines Nichts.
Krait stieg aus dem Wagen und schloss ab. Heutzutage konnte man sich leider nicht mehr auf die Rechtschaffenheit anderer Leute verlassen.
Statt sich dem Hotel auf direktem Weg zu nähern, ging er zu dem Parkhaus nebenan.
Carriers Wagen stand da, wo er es erwartet hatte: in der südwestlichen Ecke des Erdgeschosses.
Falls ein Wachmann im Parkhaus patrouillierte, befand er sich momentan in einer anderen Etage. Wahrscheinlich verließ man sich im Hotel jedoch auf Überwachungskameras, von denen Krait mehrere registrierte.
Die Kameras schreckten ihn nicht ab. Elektronische Bilder konnten verloren gehen, Computersysteme einen Crash erleiden.
In einer Welt, die sich täglich stärker von der Wahrheit abkoppelte, hielten sich immer mehr Menschen an das Virtuelle statt an das Reale, und alle virtuellen Dinge waren veränderbar.
Aus demselben Grund machte Krait sich nie Sorgen um Fingerabdrücke oder DNA-Spuren. Das waren lediglich Muster, die von Hautfett hinterlassen beziehungsweise in der Struktur von Makromolekülen zu finden waren.
Fachleute mussten diese Muster lesen und ihren Nutzen als Beweismittel beurteilen. Wenn man auf diese Fachleute Druck ausübte, waren sie durchaus bereit, ein bestimmtes Muster falsch zu deuten oder sogar zu verändern. Trotzdem setzte die Öffentlichkeit ein geradezu rührendes Vertrauen in sie.
Statt das Parkhaus durch den Ausgang neben der Einfahrt zu verlassen, nahm Krait eine zweite Tür, durch die er auf einen beleuchteten Weg an der Seite des Hotels gelangte.
Vom Wind geschüttelter roter Hibiskus stand am Wegrand. Diese Pflanzengattung war nicht giftig.
Gelegentlich musste sich Krait einer Giftpflanze bedienen, um eine seiner Missionen zu erfüllen. Stechapfel, Oleander und Maiglöckchen hatten ihm bereits gute Dienste geleistet.
Hibiskus hingegen war wertlos.
Er kam zu einer Tür. Dahinter befand sich ein Treppenhaus. Er stieg in den zweiten Stock hinauf.
22
Ein Geräusch weckte Tim aus unruhigen Träumen.
Vor langer Zeit hatte er gelernt, dass das Überleben unter Umständen davon abhing, dass man den Schlaf abwerfen konnte wie eine Decke. Deshalb war er sofort hellwach, setzte sich im Sessel auf und zog die Pistole aus dem Spalt zwischen Polster und Lehne.
Obwohl er aufmerksam lauschte, hörte er vorläufig nichts Auffälliges mehr. Manchmal gehörte so ein Geräusch zu einem Traum,
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