Blutwind
komme sofort. Kannst du Frank Bescheid geben?«
»Und Kim A .?«
»Und Kim A . Danke.«
Schlaftrunken und mit dem bereits halb vergessenen Traum im Kopf wankte er ins Badezimmer, pinkelte. Kaltes Wasser ins Gesicht, eine Zahnbürste in den Mund. Zurück ins Schlafzimmer, anziehen.
Nackte Füße auf dem Holzfußboden. Er drehte sich um. Maria stand in der Tür.
»Mhh, was ist los?«, flüsterte sie mit schläfriger Stimme.
Er holte ein Hemd aus dem Schrank, knöpfte es am Kragen auf und zog es über den Kopf.
»Arbeit. Leg dich wieder hin und schlaf.«
»Ist es … ist es noch eine? Ich dachte, ihr habt ihn?«
»Wir haben einen Verdächtigen. Nur haben wir ihn noch nicht erwischt.« Er streichelte ihr über die Wange. »Aber das werden wir. Schlaf jetzt, Maria. Ich rufe an und wecke dich um sieben.«
»Hm.« Sie rieb sich die Augen, kniff sie im Licht zusammen. »Versprich mir, dass du ihn schnappst, Papa.«
»Komm mal her.« Er ging einen Schritt auf sie zu, und sie drückte sich an ihn. Ein weiches, warmes Vogelküken. Er küsste sie aufs Haar. »Wir werden ihn kriegen. Aber jetzt musst du schlafen.« Er küsste sie noch einmal, diesmal auf die Stirn. »Wir sehen uns erst heute Nachmittag. Die Geschichte wird mich den Rest der Nacht beschäftigen.«
Sie winkte und schlich zurück ins Bett.
Lars warf die Tür hinter sich zu. Eine kleine, warme Kugel in seinem Bauch strahlte ein Glücksgefühl in seinen ganzen Körper aus.
Der Nordwesten Kopenhagens lag wie ausgestorben im orangefarbenen Licht der sterbenden Straßenlaternen. Einzelne, schwankende Gestalten auf dem Weg nach Hause, aus Bars und Kneipen in der Nähe des Tagensvej. Ein einzelner Krankenwagen, sonst nichts. Der Wagen glitt schaukelnd in die Sølvgade und bog am Statens Museum for Kunst auf die Øster Voldgade ab. Er schaute in die Dunkelheit unter den Bäumen, wo Stine Bang überfallen worden war. War es tatsächlich so? Hatten sie einen Serienvergewaltiger am Hals?
Das Taxi hielt am Kastell, hinter einem Streifenwagen, der halb auf dem Bürgersteig stand. Ein uniformierter Beamter, den er nicht kannte, lehnte am Kühler und rauchte. Lars zeigte seine Marke. Der Beamte nickte, spuckte ein paar Tabakkrümel aus und zeigte auf den Eingang des Kastells.
»Da rein und dann den ersten Weg rechts. Nach ein paar hundert Metern siehst du die Lampen. Die Techniker sind schon da.«
Lars bedankte sich, teilte ihm die Namen der Mitglieder seiner Ermittlungsgruppe mit und bat ihn, seinen Posten zu verlassen, sobald sie gekommen waren. Es gab keinen Grund, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Presse sollte selbst herausfinden, was passiert war.
Hinein in die Dunkelheit des Kastells. Ein blasser Halbmond leuchtete und ließ die Bäume changieren; graue, silberfarbene Schatten wie etwas Lebendiges. Es knackte in den Zweigen, sauste in den Blättern.
Es war eine laue Nacht, und er ging mit schnellen Schritten. Schon bald fing er an zu schwitzen.
Zuerst hörte er den Generator, dann ahnte er das Licht der Scheinwerfer im Widerschein der Blätter, und kurz darauf sah er das bleiche Licht oben auf der Bastion. Er fand die Treppe, lief hinauf und trat in den Lichtzirkel.
Bint und Frelsén gingen in ihren weißen Overalls im Kreis und untersuchten den Boden. Ganz unvorschriftsmäßig hatte Frelsén sein Haarnetz abgenommen. Toke und Lisa standen außerhalb der Absperrung. Lars ging zu ihnen und holte die Zigaretten heraus.
Er sah auf die Uhr. Zehn nach drei.
»Der Krankenwagen hat das Mädchen vor knapp zehn Minuten abtransportiert.« Lisa steckte ein Streichholz in den Mund. »Sie ist jetzt im Rigshospital.«
»Habt ihr mit ihr reden können?«
Toke nickte.
»Schlimm, aber nicht so schlimm wie bei Stine.« Er blätterte in seinem Notizbuch. Lisa leuchtete mit der Taschenlampe, damit er lesen konnte. »Louise Jørgensen, zweiundzwanzig Jahre alt, wohnt in der Livjægergade hier in Østerbro. Sie war im Penthouse …«, Toke machte eine Kunstpause, »und fuhr mit dem Fahrrad auf Grønningen, als ein anderer Radfahrer sie überholte. Er schubste sie um und zerrte sie durch den Wallgraben hier rauf. Lisa hat es sich unten angesehen. Ihr Rad lag mit einem Achter im Vorderrad auf dem Bürgersteig.«
»Ich habe es an einen Baum gestellt«, ergänzte sie.
Ein Schatten schoss an ihnen vorbei, eine schwarze Silhouette vor dem Lichtermeer der Projektoren.
Toke zuckte zusammen.
»Was war das?«
»Ein Fuchs«, sagte Lisa.
»Es gibt doch keine Füchse
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