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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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deinem Alter muss nicht alles wissen.«

44
    Der Wachhabende rief in dem Moment an, als Sanne auf die Straße trat. Als das Gespräch beendet war, warf sie das Handy auf den Beifahrersitz ihres Wagens. Stieg ein. Ohne an die paar Gläser zu denken, die sie getrunken hatte. Nur die Sirene aufs Dach und los.
    Jetzt kroch sie durch ein Gebüsch die Böschung hinunter. Am Rand des kleinen Sees in der Østre Anlæg stand ein provisorisches Zelt. Links erhob sich die weiße Betonwand des Statens Museum for Kunst totenkopfblass in dem dunklen Park. Eine Gruppe Polizisten umringte das Zelt am Wasser, vereint durch einen einzelnen gelben Lichtkegel. Einer der Polizeigeneratoren hustete durch die Nacht und übertönte die leisen Verkehrsgeräusche von der Øster Voldgade und der Sølvgade.
    Ulrik drehte sich um, als sie unten ankam. Er hatte sich bisher nicht zu der Vernehmung von Langhoff geäußert. Ehrlich gesagt, war sie ein wenig nervös.
    »Sanne, gut, dass du kommen konntest. Ich habe bei Martin angerufen, aber er wusste nicht, wo du warst.«
    Sie murmelte irgendetwas und hoffte, dass Ulrik die Röte nicht sah, die ihr in die Wangen schoss.
    »Wieder er?«, fragte sie und zwang sich zur Konzentration.
    Ulrik nickte und zog sie zum Wasser, unter die Zeltplane. Frelsén winkte. Bint gab ihr die Hand. Ein paar Beamte, die sie nicht kannte, standen auf der anderen Seite. Die nackte blonde Frau lag in der Mitte des Kreises, halb im dunklen Wasser des Teichs. In dem Lichtkegel sah die Haut sehr gelb aus. Kleine Wellen schwappten über das fast haarlose Geschlecht und die Tätowierungen im unteren Bauchbereich, spülten Seegras und Abfall über den Unterleib und die Schenkel. Das gleiche kleine Loch für die Fixierflüssigkeit in der Leiste wie bei Mira, über der linken Brust die Eintrittsöffnung der tödlichen Kugel. Leere Augenhöhlen starrten an die Zeltplane.
    Sanne sah das Entsetzen in Abeiuwas Gesicht vor ihrem inneren Auge. Es hätte ebenso gut sie sein können.
    »Noch eine Prostituierte?«
    »Die Tätowierungen deuten darauf hin.« Frelsén klang müde. Offenbar mussten sie sich diese Nacht seine üblichen munteren und leicht unpassenden Kommentare nicht anhören. »Sie dürften auch bei der Identifikation helfen. Körper- und Knochenbau ist skandinavisch, vermutlich ist sie Dänin, ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Also etwas älter als das erste Mädchen und die Afrikanerin, die entkam.«
    »Abeiuwa.« Sanne wandte sich an Ulrik. »Wer hat sie gefunden?«
    »Es wurde vom Museum aus angerufen.« Ulrik wies mit dem Kopf auf den weißen Koloss. »Der Finanzrat hält dort heute Abend sein jährliches Treffen ab. Einer der Gäste wollte sich die Beine vertreten. Die Reste von dem, was er am Buffet gewählt hatte, kannst du dir dahinten ansehen.« Er zeigte auf einen Baum nah am Wasser.
    »Wann wurde sie gefunden?«
    »Gegen zehn, also vor gut einer Stunde. Die Anlage schließt um acht.«
    »Hast du mit ihm geredet?«
    Ulrik schüttelte den Kopf.
    »Ich habe ihn nach Hause fahren lassen, er ist einer der obersten Chefs von Nordea. Er war vollkommen fertig. Du kannst morgen mit ihm reden.«
    »Ja, ja.« Sie seufzte. »Ich rede mit ihm. Und ich werde bestimmt lieb sein.«
    »Er hat sie zum Eingang des Museums gefahren«, fuhr Ulrik fort. »Und dann über die Hecke und die Böschung hier runtergeschleppt. Bint hat die Spuren gefunden.« Er zeigte nach oben. Derselbe Weg, den sie gekommen war.
    Einer der Beamten auf der anderen Seite flüsterte seinem Nebenmann zu: »Sie hätte sich untenrum aber auch ordentlich rasieren können.«
    »Hat sie auch.« Frelsén zeigte auf das Geschlechtsteil der Leiche. »Seht ihr die kleinen Kratzer da? Sie stammen von einer Intimrasur, nur wenige Stunden bevor der Tod eintrat. Aber nicht alle Zellen des Körpers hören auf zu funktionieren, wenn man stirbt. Manche arbeiten noch Stunden und Tage, ja, günstigstenfalls noch Wochen später weiter. Häufig sieht es daher so aus, als würde das Haar weiterwachsen. Es kann aber auch sein, dass die Haut zusammenfällt und die Haarbüschel freigibt, die in der innersten Schicht wachsen, sozusagen, bevor sie herauskommen. Leichenbestatter müssen männliche Leichen oft vor der Beisetzung rasieren.«
    Der Beamte spuckte aus, wandte den Blick ab. Eine plötzliche Müdigkeit drohte Sanne umzuwerfen.
    »Was ist denn mit ihren Händen?« Die Hand der Leiche nahm im Verhältnis zum Körper eine unnatürliche Stellung ein. Sanne ging in die Hocke und

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