Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
hübsches Kind, auch wenn sie die Insignien der Spätpubertät noch offen zur Schau trug. Chronisch gelangweilter Gesichtsausdruck, Kaugummi im Mund und natürlich die obligatorischen Ohrstöpsel.
»Tja, Herr Retz. Da haben Sie ja wirklich, wirklich Glück, dass just in diesem Moment Ihr Alibi um die Ecke stiefelt«, entfuhr es Andreas, der gerade die Hoffnung auf eine schnelle Lösung des Falls und damit auf einen frühen Feierabend und vielleicht etwas Schlaf begrub.
»Oh, ich hab wirklich ’ne Fünf in der Klausur. Ich kann sie Ihnen zeigen«, bekräftigte Luisa.
»Mädel, dass du kein Mathe kannst, glaub ich dir auf’s Wort. Aber was den Rest angeht …« Mick warft Adolf Retz einen Blick zu, der nur eins bedeuten konnte: »Mit dir bin ich noch nicht fertig.«
Andreas und Mick erhoben sich und gingen zum Rosenbogen. Ob das Alibi stimmte, mit dem sich Retz schmücken konnte, wussten sie nicht, aber eins war klar: Es war Retz ungefähr so »zufällig« in den Schoß gefallen wie die Taube auf Schmigalles Grill.
»Hey! Und wann krieg ich das wieder?« Retz deutete auf das Luftgewehr in Micks Hand.
»Wenn du deinen Bluthochdruck unter Kontrolle hast.«
An einem Baum nahe dem Taubenpavillon flatterte noch der Rest des rot-weißen Absperrbandes. Eine letzte Hinterlassenschaft der KTU, die den Tatort mittlerweile wieder freigegeben hatte. Im Pavillon selbst war Willi Albrecht damit beschäftigt, den Dreck zusammenzukehren, solange die Tauben ausgeflogen waren.
»Warum haben Sie uns nicht erzählt, dass Sie Herrn Retz in Verdacht hatten, die Taube abgeschossen zu haben?«, fragte Andreas. Willi Albrecht reagierte zunächst nicht. Nachdem er mit dem Besen fertig war, ging er in die Knie, um mit Kehrblech und Handfeger den Schmutz aufzunehmen.
»In meiner Generation hat man die Dinge noch geregelt, ohne jedes Mal gleich zur Polizei zu rennen.«
Andreas blickte zu Mick, der zuckte jedoch nur mit den Schultern.
»An sich ja ’ne löbliche Einstellung.« Mick beobachtete mit wachsender Sorge, wie Willi Albrecht unter dem zusammengekehrten Schmutz einen großen braunen Fleck freilegte.
»Aber Ihnen ist hoffentlich klar, dass es einen Unterschied macht, ob man die Dinge ›regelt‹ oder das Gesetz in die eigene Hand nimmt«, sagte Andreas, doch seine Worte zielten ins Leere, denn auch Willi Albrecht war gerade klar geworden, dass es sich bei dem Fleck um das Blut seines ermordeten Enkels handelte. Er blickte auf.
»Der Adolf hat den Thomas nicht umgebracht. Dazu fehlt dem Großmaul der Mut.«
»Ich geb zu, ’ne vollgeschissene Terrasse ist nicht grad nen Eins-A-Mordmotiv«, sagte Mick. »Aber Retz’ Tochter Luisa ist nen hübsches Mädel.«
»Ja. Und?« Willi Albrecht leerte einen Eimer Wasser auf dem Boden des Pavillons aus.
Um sich die schicken Schuhe nicht zu versauen, rettete sich Andreas auf einen kleinen Absatz gegenüber dem Eingang, wo der Futterschrank stand. Mick blieb in der Tür stehen. Einmal in Sicherheit, griff Andreas Albrechts Frage auf.
»Wir haben einen positiven Schwangerschaftstest gefunden. Hier, direkt in der Aschetonne neben dem Pavillon.«
»Hübsches Mädchen hier, Schwangerschaftstest da. Wenn man da mal eins und eins zusammenzählt, drängt sich doch die Frage auf, ob Thomas nicht vielleicht irgendwo rumgestochert hat, wo er es besser hätte bleiben lassen«, ergänzte Mick. »Denn eine schwangere Tochter wäre für Vater Retz mit Sicherheit schon ein besseres Motiv.«
»Ich hab keine Ahnung, wo der Test herkommt«, blockte Willi Albrecht barsch ab. Mittlerweile stand er mit seinen hochgeschnürten Bergmannsbotten in einer Brühe aus Wasser, Schmutz und Blut.
Da Andreas noch länger auf dem Absatz gefangen sein würde, machte er das Beste daraus. Er öffnete den ausgedienten Vorratsschrank, mit dem er sich den Platz auf der Insel teilen musste und der neben Futtersäcken auch allerhand Kleinkram, wie Ringzangen, Spachteln und Tinkturen enthielt. Doch da war noch etwas anderes.
»Mick?!« Andreas deutete auf ein kleines Metallkörbchen, das an die linke Seitenwand des Schranks gedübelt war. Darin fanden sich mindestens zehn solcher Federteile, wie ihnen Meisner eines präsentiert hatte. Er wandte sich an Albrecht. »Wofür braucht man die?«
»Für die Tauben.«
»Ach wirklich!« Andreas hatte sich schon eine etwas genauere Antwort erhofft.
»Die Tauben hacken sich manchmal gegenseitig. Nicht schön, aber kommt vor. Auf jeden Fall wollen Sie auf Ihrer Hochzeit wohl kaum
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