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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Herz.
    Meine kleine, heile Welt war gerade in tausend Stücke explodiert.
     
    Aufgrund der entfernten Möglichkeit, dass es sich bei Andrew Thomas doch um einen Psychopathen handelte, hielt Horace Boone auf dem Weg zur Hütte an einer Telefonzelle an.
    Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder an die Nummer erinnerte.
    Die Telefonzelle stand in einer Straße an einer Hauswand, hinter der sich das Lantern verbarg. Die Luft war klar, blau und sehr kalt. Er schaute auf seine Uhr. Irgendwie war es fürchterlich deprimierend, zu wissen, dass es bereits Mittag war, obwohl der Himmel so finster aussah wie um neun Uhr morgens und sich daran auch in den kommenden Monaten nichts ändern würde.
    Sie antwortete: »Hallo.«
    »Mom?«: Eine kurze Pause und dann: »Hallo, Horace.«
    »Ich weiß, ich hätte früher anrufen sollen. Ich – «
    »Wo bist du?«
    »Kanada.«
    »Nun, danke, dass du mich wissen lässt, dass du lebst. Ich werde diese guten Nachrichten an deinen Vater weiterleiten.«
    »Mom, hör auf, sei – «
    »Nein, du kannst dich nicht einfach zwei Monate nicht melden und dann erwarten, dass ich freundlich bin.«
    »Kannst du mal zwei Sekunden still sein? Es ist etwas sehr Wichtiges in meinem Leben passiert. Ich kann darüber jetzt nicht reden, aber es ist sehr aufregend. Ich wollte dich nur schnell anrufen, um dir zu sagen, dass ich dich lieb habe.«
    »Was, bist du in Gefahr?«
    »Nein. Ich glaube nicht. Hör zu, ich muss los. Ich verspreche dir, dass ich dich bald wieder anrufen werde.«
    »Horace – «
    Er hängte den Hörer ein, ging zurück zu seinem Land Cruiser, setzte sich einen Moment hinters Lenkrad, um seine Gedanken zu ordnen und um noch einmal alles durchzugehen, was er Andrew Thomas sagen wollte – das Lob, die Fragen, die Drohung.
    Dann startete er den Motor, fuhr in Richtung Wald los und versuchte die durchaus reale Möglichkeit zu ignorieren, dass er vielleicht nicht wiederkommen würde.

24. Kapitel
     
    Während ich die Piste zu meiner Hütte entlangraste, merkte ich, was für ein großer Feigling ich geworden war. Den ganzen Rückweg über versuchte ich so zu tun, als hätte ich den Artikel nicht gelesen. Mein Traum war es, bis zum Ende meiner Tage in der Wildnis am Rande von Haines Junction zu leben und nur so zum Spaß zu schreiben. Ich hatte mir vorgestellt, hier draußen als alter Einsiedler zu sterben. Dieses Jahr war ich zum ersten Mal wieder glücklich gewesen, seit Orson und Luther mir mein Leben gestohlen hatten. Ich fühlte mich in diesen Wäldern zu Hause, obwohl ich nicht erwartet hatte, dieses Gefühl jemals wieder zu empfinden.
    Ich erreichte meine schmale Zufahrt und bog in den Wald ab.
    Die Wut nahm langsam ab, dafür kroch nun Angst in mir hoch und füllte meinen Bauch mit den altbekannten Schmerzen, die eine Reihe von Bildern heraufbeschworen, die zu vergessen ich Jahre gebraucht hatte. Als ich meine Hütte durch die Bäume hindurch schimmern sah, flüsterte etwas in mir, einer von ihnen lebt.
    Nein. Ich hatte gesehen, wie mein Bruder von einer vollen Schrotladung in die Brust getroffen worden war. Ich hatte dreißig Sekunden später seinen leeren Blick gesehen und wie das Leben aus ihm gewichen war. Ich hatte ihn erfroren auf der Veranda einer einsamen Hütte in der Wüste zurückgelassen. Mein Zwillingsbruder war tot; er würde nicht zurückkommen.
    Ich parkte vor der Hütte und schaltete den Motor des Jeeps aus. Während ich durch die verkratzte Windschutzscheibe starrte, dachte ich an Luther Kite, erinnerte mich daran, wie ich über ihm gestanden und eine Doppellaufflinte auf seine Brust gedrückt hatte, an meine Finger auf den Abzughähnen. Doch ich hatte ihn nicht getötet. Ich hatte das Gewehr durchs Zimmer geworfen und ihn sterbend auf dieser Veranda zurückgelassen, schwer verletzt, viele Meilen von der nächsten Stadt entfernt, ohne Transportmittel. Er konnte nicht überlebt haben! Er lag im Sterben, als ich ihn verlassen habe. Bitte, lieber Gott, du hättest dieses Monster doch nicht überleben lassen! Und dann der bohrende Gedanke: Was, wenn meine Weigerung, den Abzug durchzudrücken, sechs Menschen, darunter eine ganze Familie, das Leben gekostet hatte?
    Ich war noch nicht bereit, das zu akzeptieren. Luther Kite war mit Orson in dieser verschneiten Wüste in Wyoming gestorben. Wer auch immer die Worthingtons und Karen umgebracht hatte und diese blutige Spur durch North Carolina gezogen hatte, war ein Trittbrettfahrer. Es war nicht meine Schuld.
    Ich öffnete

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