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Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Titel: Boardwalk Empire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Johnson
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von Dienstleistung, legal oder illegal. Für die meisten Arbeiter aus Philadelphia war der Sonntagsausflug die einzige Möglichkeit, der Großstadt zu entkommen. Sowohl in Pennsylvania als auch in New Jersey war der Ausschank von Alkohol am »Tag des Herrn« verboten. In Atlantic City hingegen war der Sonntag der lukrativste Arbeitstag der Woche. Und solange man Geld verdienen konnte, interessierte sich niemand für die Gesetze des Bundesstaats. Der Alkohol floss sieben Tage in der Woche und die Barleute bedienten alle außer den Kindern. Auch die Spieler kamen auf ihre Kosten. In den Hotels, Kneipen und Nachtklubs spielte man am liebsten Roulette, Faro und Poker – es gab für jeden das richtige Spiel, egal, wie dick die Brieftasche war. Das Philadelphia Bulletin schrieb in einer seiner alljährlichen Mahnschriften:
    Es gibt Glücksspielhäuser unten an der Mississippi Avenue mit einem 5-Cent-Limit bis hoch zu Dutchy’s an der Delaware Avenue, wo bekannte Politiker und Geschäftsleute aus Philadelphia fünf bis zehn Dollar auf ihre Kartenspielchen setzen. Das Lochiel (ein Spielkasino) ist der Mittelpunkt des Glücksspiels, und dort hat Dutchy (ein Spieler, den man aus Philadelphia gejagt hat) das Sagen. 39
    Glücksspiel, Prostitution und Alkoholausschank wurden von den Behörden der Stadt durchaus zur Kenntnis genommen, aber solange Hunderte von Familien ihr Einkommen aus den illegalen Geschäften bezogen und die Touristen zufrieden waren, gab es keinen Grund zur Beschwerde. Die Dreistigkeit, mit der man das Gesetz missachtete, rief jeden Sommer erneut die Wut der Zeitungen in Philadelphia hervor, aber schon bald hatten sich die Geschäftsleute und Politiker von Atlantic City ein dickes Fell gegenüber den Vorwürfen der Journalisten zugelegt. Sie merkten, dass es ein Vorteil war, so weit außerhalb zu liegen. Vor der Verbreitung von Automobilen war Atlantic City nur sehr schwer zu erreichen, wenn man von den Zugverbindungen aus Philadelphia und New York absah. Hätte man Regierungsbeamte aus Trenton in die Stadt geschickt, um die Sunday Blue Laws zu kontrollieren, hätten sie zu Pferd oder mit der Kutsche einen ganzen Tag gebraucht. Natürlich wusste man in Trenton, was in Atlantic City vor sich ging, doch niemand machte sich die Mühe, etwas dagegen zu unternehmen. Somit prügelten die Zeitungen in Philadelphia weiter auf Atlantic City ein, erhielten aber nie eine offizielle Antwort. Atlantic Citys Politiker hatten ihre eigene Art, mit den Vorwürfen umzugehen: Sie ignorierten sie. Ihr Motto, was schlechte Presse anging: »In Zeitungen wickelt man Fisch ein.« 40
    Nicht einmal der Kreuzzug eines Gouverneurs aus New Jersey ließ die Stadt ihren illegalen Dienstleistungen abschwören. Im Herbst des Jahres 1907 wurde John Fort ins Amt gewählt. Im Wahlkampf versprach er, das »Bishop-Gesetz« durchzusetzen, das den Ausschank von Alkohol an Sonntagen verbot. Als Reaktion auf die Denkschriften des Philadelphia Bulletin erklärte der Gouverneur Atlantic City den Krieg und wollte im Juli 1908 endgültig mit der Sündhaftigkeit aufräumen. Dazu setzte er einen Ausschuss ein, um die Verstöße gegen das Gesetz zu dokumentieren und herauszufinden, warum die örtliche Staatsanwaltschaft keine Anklage gegen aus den Zeitungen bekannte Saloon-, Kasino-, oder Bordellbetreiber erhob.
    Im August 1908 trat der Bezirksstaatsanwalt von Atlantic County, Clarence Goldenberg, vor den Ausschuss und bezeugte, dass er nichts Verwerfliches an den Geschäften der Stadt finden konnte. Sollte ihm aber jemand Beweise für kriminelle Aktivitäten liefern, würde er diesen sofort nachgehen. Goldenberg räumte ein, dass bereits Zeugen mit Beschwerden zu ihm gekommen waren, aber nach einer »freundlichen Anhörung« vor Gericht, wurde kein einziges Mal Anklage erhoben. »Es ist unmöglich, Strafverfahren einzuleiten, denn die Grand Jury besteht aus lauter Wirtschaftsvertretern der Stadt und der Region. Die Leute hier machen sich ihre eigene Regierung« 41 , gab Goldenberg zu Protokoll.
    Die Grand Jury wurde vom Sheriff des Bezirks, Smith Johnson, ernannt. Johnson kannte sich im Rechtssystem aus und wusste, wie man es zum Wohl der Geschäftsleute der Stadt anwenden konnte. Er suchte die Jury-Mitglieder aus und stellte sicher, dass keine Querschläger darunter waren. Meistens handelte es sich um Gastronomen und Geschäftsleute, die vom Unterhaltungsgeschäft profitierten. Als der Ausschuss Johnson fragte, warum er denn niemanden verhaftete, meinte

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