Bockmist
nichts tun würden. Sie haben gesagt, falls sie ihn aufhalten könnten, würde ihm kein Haar gekrümmt. Dann wären wir beide in Sicherheit, und wir wären beide …«
Sie zögerte, und ihre ruhige Stimme konnte nicht verhehlen, daß sie unter Schuldgefühlen fast zerbrach.
»Ihr wärt beide was?«, fragte ich.
Sie legte den Kopf in den Nacken, dehnte ihren langen Hals und entblößte ihre Kehle jemand anderem.
Dann lachte sie.
»Reich«, sagte sie.
Fast hätte ich mitgelacht. Es war ein dermaßen lächerliches Wort. So ein lächerlicher Wunsch. Es klang wie ein Name oder ein Land oder eine Salatsorte. Das Wort mochte alles mögliche bedeuten, aber doch nicht den Besitz einer Menge Geld. Es war, in einem Wort, lächerlich.
»Sie haben euch Reichtum versprochen?«, fragte ich nach.
Sie holte tief Luft und seufzte, und ihr Lachen verschwand so schnell, als wäre es nie dagewesen.
»Genau«, sagte sie. »Reichtum. Geld. Sie sagten, wir würden reich werden.«
»Wem haben sie das gesagt? Euch beiden?«
»Gott bewahre, nein. Dad hätte nie im Leben …« Sie stockte wieder, und ihr Körper erschauerte. Dann hob sie den Kopf und schloß die Augen. »Er war weit darüber hinaus, auf so etwas noch zu hören.«
Ich sah sein Gesicht vor mir. Den ehrgeizigen, entschlossenen, wiedergeborenen Blick. Den Blick eines Mannes, der sein ganzes Leben mit Geldverdienen zugebracht hatte, der seinen Weg gemacht und seine Rechnungen bezahlt und gerade noch rechtzeitig entdeckt hatte, daß das gar nicht der Sinn des Ganzen war. Und der eine Chance zur Wiedergutmachung sah.
Sind Sie ein guter Mensch, Thomas?
»Sie haben dir also Geld geboten«, sagte ich.
Sie öffnete die Augen und lächelte kurz, dann wischte sie sich wieder die Nase.
»Sie haben mir alles mögliche geboten. Alles, wovon ein Mädchen nur träumen kann. Alles, was ein Mädchen schon hatte, bevor sein Vater entschied, es ihm wegzunehmen.«
Wir saßen eine Zeitlang da, hielten uns an den Händen, dachten an und sprachen über ihr Verhalten. Aber wir kamen nicht weit.
Am Anfang dachten wir, dies würde das ausführlichste, vertraulichste und längste Gespräch, das wir je mit einem Menschen geführt hatten. Wir merkten sofort, daß wir uns etwas vormachten. Es war sinnlos. Es gab so viel zu sagen, so ein Riesenhaufen Erklärungen mußte durchpflügt werden, obwohl im Grunde nichts davon gesagt werden mußte.
Also werde ich es sagen.
Unter Alexander Woolfs Management produzierte das Unternehmen Gaine Parker Inc. Sprungfedern, Brechstangen, Türklinken, Reisetaschen, Gürtelschnallen und all den Krimskrams, der das Leben im Westen so angenehm macht. Es fabrizierte Plastikprodukte, Metallwaren, Elektrogeräte und mechanische Artikel, teils für den Einzelhandel, teils für andere Hersteller und teils für die Regierung der Vereinigten Staaten. Am Anfang profitierte Gaine Parker davon. Wenn man eine Toilettenbrille herstellt, die dem Chefeinkäufer von Woolworth gefällt, kommt man auf einen grünen Zweig. Wenn man jedoch eine herstellt, die der Regierung der Vereinigten Staaten gefällt, weil sie den Vorschriften für militärische Toilettenbrillen genügt – und glauben Sie mir, militärische Toilettenbrillen gibt es ebenso wie Vorschriften dafür, und diese sind schätzungsweise dreißig DIN-A4-Seiten lang –, wenn man diese Toilettenbrille herstellt, dann kommt man nicht nur auf einen grünen Zweig, sondern einen Baum oder ganzen Wald.
Nun produzierte Gaine Parker keine Toilettenbrillen. Sie produzierten einen winzig kleinen Schalter, der zusammen mit Halbleitern sagenhafte Dinge anstellte. Der Schalter war nicht nur unentbehrlich für die Hersteller von Thermostaten in Klimaanlagen, sondern eignete sich auch ganz hervorragend für die Kühlanlage eines neuartigen Dieselgenerators, der seinerseits militärischen Vorschriften genügte. Und so begab es sich im Februar 1972, daß Gaine Parker und Alexander Woolf Subunternehmer des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten wurden.
Die Segnungen dieses Vertrages waren Legion. Nicht nur erlaubte, ja ermutigte er Gaine Parker, achtzig Dollar für einen Gegenstand zu berechnen, der auf dem freien Markt höchstens fünf kostete, er diente auch als Gütesiegel für qualitativ hochwertige, erstklassige Ware und führte dazu, daß aus der ganzen weiten Welt Kunden für kleine, kluge Schalter Woolf den Palast einrannten.
Von dem Moment an konnte nichts mehr schiefgehen, und es ging auch nichts schief.
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