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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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vertrocknet wie der letzte Keks nach einer Weltumseglung. Die anschließende Pause hätte unangenehm werden können, wenn sie nicht gelächelt hätte. Aber sie lächelte, und urplötzlich schien unheimlich viel Blut in meinen Ohren zu randalieren, zu stolpern und Dinge auf den Boden zu schmeißen. Ich lächelte zurück, und wir sahen uns einfach weiter an.
    »Ich finde, wir sollten festhalten, daß es auch schlimmer hätte ausgehen können«, sagte sie.
    »Das stimmt natürlich«, sagte ich. »Als international anerkanntes Achselhöhlenmodel wäre ich jetzt monatelang arbeitsunfähig.«
    Diesmal lachte sie, lachte sich schier kaputt, und ich hatte das Gefühl, ich hätte jede einzelne Olympiamedaille gewonnen, die je geprägt worden war.
    Wir begannen mit einer umwerfend köstlichen Suppe, die in einer Schüssel ankam, die ungefähr so groß wie meine Wohnung war. Geredet wurde wenig. Es stellte sich heraus, daß Woolf ebenfalls ein Turfliebhaber war und ich am Nachmittag eins seiner Pferde gesehen hatte, das in Doncaster an den Start gegangen war, also klönten wir ein wenig über Rennen. Als der zweite Gang kam, gaben wir gerade einem hübsch abgerundeten Dreiminüter über die Unberechenbarkeit des englischen Klimas den letzten Schliff. Woolf steckte sich etwas Fleischiges und Soßebedecktes in den Mund und tupfte ihn mit der Serviette ab.
    »Schießen Sie los, Thomas«, sagte er, »ich schätze, es gibt da so einiges, was Sie mich fragen möchten.«
    »Ähm, ja.« Ich tupfte mir ebenfalls den Mund ab. »Ich mag es nicht, daß ich so berechenbar bin, aber was zum Teufel führen Sie eigentlich im Schilde?«
    Am Nachbartisch schnappte man hörbar nach Luft, aber weder Woolf noch Sarah verzogen eine Miene.
    »Verstehe«, sagte er und nickte. »Gute Frage. Zuallererst, egal was Ihre Verteidigungstypen Ihnen für Bären aufgebunden haben, ich habe rein gar nichts mit Drogen am Hut. Kein bißchen. Ich habe zuweilen Penicillin bekommen, aber das war alles. Punkt.«
    Das reichte mir natürlich nicht. Bei weitem nicht. Am Satzende »Punkt« zu sagen, macht einen Satz noch lange nicht unanfechtbar.
    »Wie soll ich sagen«, meinte ich. »Verzeihen Sie mir meinen abgedroschenen englischen Zynismus, aber das gehört doch wohl in die Rubrik ›Das müssen Sie ja sagen, nicht wahr?‹.« Sarah sah mich indigniert an, und ich hatte plötzlich die Befürchtung, den Bogen überspannt zu haben. Aber dann dachte ich, was soll’s, schöne Sehnen hin oder her, hier mußten ein paar Dinge aus der Welt geschafft werden.
    »Tut mir leid, daß ich das anspreche, bevor Sie richtig loslegen«, sagte ich. »Aber wenn wir schon hier sind, um unsere Karten auf den Tisch zu legen, dann mach’ ich das auch.«
    Woolf steckte sich wieder eine Gabelvoll in den Mund und hob die Augen nicht vom Teller. Es dauerte einen Augenblick, bis ich schnallte, daß er Sarah antworten ließ.
    »Thomas«, sagte sie, und ich sah ihr in die Augen. Die waren groß und rund und reichten von einem Ende des Universums zum anderen. »Ich hatte einen Bruder. Michael. Vier Jahre älter als ich.«
    Ach du grüne Neune. Hatte.
    »Nach dem ersten halben Jahr an der Bates University ist Michael gestorben. Amphetamine, Qualude, Heroin. Er war zwanzig Jahre alt.«
    Sie verstummte. Ich mußte etwas sagen. Irgend etwas. Egal was.
    »Das tut mir leid.«
    Was sollte ich denn sonst sagen? Scheiße? Kann ich mal das Salz haben? Ich merkte, daß ich mich immer tiefer über den Tisch beugte und in ihrer Trauer aufgehen wollte, aber es hatte keinen Sinn. Bei dem Thema bleibt man immer ein Außenseiter.
    Schließlich sagte sie: »Ich erzähle Ihnen das aus einem einzigen Grund. Sie sollen einsehen, daß mein Vater«, sie sah ihn an, aber er sah nicht von seinem Teller hoch, »zum Drogenhandel so wenig imstande ist wie zum Mondflug. So einfach ist das. Dafür leg’ ich meine Hand ins Feuer.«
    Punkt.
    Eine Weile vermieden die beiden jeglichen Blickkontakt mit dem anderen oder mit mir.
    »Nun, das tut mir leid«, sagte ich erneut. »Das tut mir wirklich sehr leid.«
    Einen Augenblick lang saßen wir einfach nur da, eine Zelle des Schweigens mitten im Restaurantgeklapper, dann setzte Woolf plötzlich ein Lächeln auf und wurde richtig lebhaft.
    »Danke, Thomas«, sagte er. »Aber was passiert ist, ist passiert. Für Sarah und mich sind das olle Kamellen, und wir sind vor langer Zeit darüber weggekommen. Im Moment möchten Sie vermutlich lieber erfahren, warum ich Sie gebeten habe, mich

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