Bodenlose Tiefe
verdammt viel gemeinsam durchgestanden. Ich war schon dabei, als er die spanische Galeone entdeckt und geborgen hat, und Gary ist ein Jahr später dazugekommen. Das war schon irgendwie …
kränkend.«
»Du weißt doch, wenn er sich erst mal in eine Sache verbeißt, nimmt er nichts anderes mehr wahr.« Andererseits konnte sie sich nicht erinnern, dass er seine Mannschaft schon einmal außen vor gelassen hatte. Die Männer waren für Phil fast so etwas wie eine Familie.
Sie standen ihm näher als Melis.
Aber das hatte sie sich wahrscheinlich selbst zuzuschreiben.
Es fiel ihr schwer, Phil gegenüber offen ihre Gefühle zu zeigen.
Sie war immer die Beschützerin gewesen in einer Beziehung, die zugleich flüchtig und stürmisch war. Seine beinahe kindliche Starrköpfigkeit brachte sie oft zur Verzweiflung. Aber sie und Phil waren ein Team, sie gingen auf ihre gegenseitigen Bedürfnisse ein und sie hatte ihn wirklich gern.
»Melis.«
Als sie aufblickte, sah sie, dass Cal sie verlegen anschaute.
»Könntest du dir vielleicht was überziehen? Du bist eine umwerfend schöne Frau, und auch wenn ich so alt bin, dass ich dein Vater sein könnte, heißt das nicht, dass ich nicht als Mann auf dich reagiere.«
Natürlich wirkte sie auf ihn. Es spielte keine Rolle, dass er sie kannte, seit sie sechzehn war. Die Männer waren doch alle gleich. Selbst die besten unter ihnen waren hormongesteuert. Sie hatte lange gebraucht, um diese Tatsache ohne Groll zu akzeptieren. »Bin gleich wieder da.« Sie ging in ihr Zimmer.
»Setz den Kaffee auf«, rief sie über ihre Schulter.
Ohne zu duschen, zog sie sich Shorts und T-Shirt an.
Dann setzte sie sich aufs Bett und nahm den Briefumschlag in die Hände. Es war vielleicht etwas völlig Unwichtiges, etwas gänzlich Unpersönliches, aber sie wollte den Umschlag nicht vor Cals Augen öffnen.
Der Umschlag enthielt zwei Dokumente. Sie nahm das erste heraus und schlug es auf.
Sie erstarrte. »Was zum Teufel …«
HOTEL HYATT
ATHEN
»Hör auf, mit mir zu streiten, ich komme dich holen.«
Melis’ Hand umklammerte das Telefon. »Wo bist du, Phil?«
»In einer Hafentaverne. Ich wohne im Hotel Delphi«, sagte Phil Lontana. »Aber ich werde dich da nicht mit reinziehen, Melis. Fahr nach Hause.«
»Das werde ich. Und zwar mit dir zusammen. Ich stecke schon längst mit drin. Hast du im Ernst geglaubt, ich würde in aller Ruhe zu Hause bleiben, nachdem ich die Nachricht erhalten hatte, dass du die Insel und die Last Home auf mich überschrieben hast? Das war, als hätte ich dein Testament und deinen letzten Willen gelesen. Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
»Irgendwann musste ich ja schließlich mal anfangen, Verantwortung zu zeigen.«
Nicht Phil. Er war mit seinen über sechzig Jahren immer noch ein Peter Pan. »Wovor hast du Angst?«
»Ich habe keine Angst. Ich wollte nur sicherstellen, dass du versorgt bist, falls mir mal was passieren sollte. Ich weiß, wir haben gute und schlechte Zeiten gehabt, aber du hast immer zu mir gestanden, wenn ich dich gebraucht habe. Du hast mir mehr als einmal aus der Klemme geholfen und du hast mir diese Blutsauger vom Hals –«
»Ich werde dir auch diesmal aus der Klemme helfen, wenn du mir sagst, was los ist.«
»Nichts ist los. Das Meer ist gnadenlos. Man kann nie wissen, wann ich mal einen Fehler mache und nicht mehr –«
»Phil.«
»Ich habe alles aufgeschrieben. Es ist auf der Last Home. «
»Gut. Dann kannst du es mir auf unserer Rückfahrt zur Insel vorlesen.«
»Das wird vielleicht nicht möglich sein.« Er schluckte.
»Ich versuche schon eine ganze Weile, Jed Kelby zu erreichen.
Er reagiert nicht auf meine Anrufe.«
»Mistkerl.«
»Vielleicht. Aber ein brillanter Mistkerl. Man hat mir gesagt, er wäre ein Genie.«
»Und wer hat dir das gesagt? Sein PR-Berater?«
»Sei nicht zynisch. Er ist wirklich brillant, das muss der Neid ihm lassen.«
»Nein. Ich kann reiche Männer nicht ausstehen, die glauben, sie könnten allen und jeden auf der Welt zu ihrem Spielzeug machen.«
»Du kannst reiche Männer aus Prinzip nicht ausstehen«, sagte Phil. »Aber du musst versuchen, ihn für mich zu erreichen. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, zu ihm Kontakt aufzunehmen.«
»Natürlich gelingt dir das. Aber ich verstehe nicht, warum dir das so wichtig ist. Bisher hast du noch nie jemanden um Hilfe gebeten.«
»Ich brauche ihn. Er verfolgt seine Ziele genauso leidenschaftlich wie ich und er ist entschlossen genug, um sie in
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