Bodin Lacht
sich ewig selbst regeneriert.
A NN F ARADAY,
Deine Träume â Schlüssel zur Selbsterkenntnis
Er kam pünktlich zu seiner Psychotherapie. Oder zu seiner Spielstunde mit Bodin. Oder zur Psychotherapie von Bodin, man nenne es, wie man will. Ich höre, brummte der Therapeut. Er kniff seine schweinischen Augen zusammen und manikürte seine linke Hand mit den Nägeln der rechten Hand. Martin erzählte ihm stockend seinen unappetitlichen Traum und wurde ermutigt, eine Praline zu nehmen und kein Detail auszulassen. Martin wich Bodins Blick aus und fixierte die Pusteln der Raufasertapete. Bodin hatte sich leicht zu ihm hingeneigt, und sein Atem roch nach Schokolade. Martin rückte mit dem Stuhl nach hinten und massierte sich kurz die Knie, als hätte er sie am Schreibtisch angestoÃen. Heute Morgen, kurz vor dem Aufstehen, erzählte er, wälzte ich mich in einer Baracke, lauter kaputte Bretter, und durch die Lücken zwischen den Latten des Bodens, zehn oder zwanzig Zentimeter tiefer, sah ich Schlangen, es tummelte sich eine Menge von Schlangen, niemand schien aber Angst vor ihnen zu haben, Kinder liefen im Raum herum, und auch drauÃen, wo sich weitere Viecher wanden, anscheinend ungiftige Nattern. Die Kinder fassten sie am Hals oder am Ende des grün-glitschigen Körpers und warfen sie in die Luft oder zerschnitten sie, schwer zu sagen, weil man in diesem Durcheinander die Ãbersicht verlor. AuÃerdem trat ein Typ mit seinen Hunden in die Szenerie ein, lauter kleine Hunde, die an mir hochsprangen, ohne BeiÃabsicht, ich fand sie aber sehr lästig und sagte dem Mann, dass ich Hunde nicht mochte (nur Domino, den Hund meines Vaters, hatte ich so wie einen lästigen Verwandten geduldet), leider pfiff der Mann seine Tiere nicht zurück, die sich zu vermehren schienen und mir weiterhin um die Beine sprangen. Und ich wusste nicht, wie ich mich aus dieser Situation befreien sollte.
Bodin, anstatt Martin Fragen zu stellen, zum Beispiel über sein Befinden während des Traumes, Bodin lachte: Na, mein Junge, hast du das geträumt oder erfunden, sozusagen um die Stunde zu würzen? Du kennst ohne Nachhilfe die symbolische Bedeutung dieses Traumes, nicht wahr? Ich habe das geträumt, antwortete Martin, aber ich habe den Eindruck, dass sogar meine Träume, wie auch Sie, mich auf den Arm nehmen, ich spüre, dass meine Träume mich lächerlich machen wollen. Es war nämlich keiner dieser archetypischen Träume mit angsteinjagenden Schlangen oder monströsen Hunden, die Tiere waren ungefährlich, im Grunde genommen Utensilien eines kleinen Jungen, der sich selbst Angst einjagen will.
Er hätte von Doktor Bodin erwartet, dass er mit der Frage reagierte: Und willst du dir selbst Angst einjagen? Fürchtest du manchmal, lächerlich zu wirken? Nein. Bodin erzählte ihm gelangweilt die Geschichte von der Schlange, die ihr männliches Aussehen verlasse, um Weib zu werden, und, ja klar, in den tiefen Schichten seines Bewusstseins wie echte Schlangen in den Untiefen der Erde logiere. Ein archetypischer Komplex unserer Seele, Martin, deine Libido könnte aber auch in deinen verspielten und doch ärgerlichen kleinen Hunden zum Ausdruck kommen, wer weiÃ. Martin hätte gern gehabt, dass Doktor Bodin nachbohrte, er spürte heute eine neue Lust an einem vertiefenden und helfenden Austausch mit dem Arzt, hatte sogar das Gefühl, Bodin brauchte nur an dem Stück Faden zu ziehen, das er ihm anbot, damit sich ein groÃes Knäuel abrollte, aber der Freund seiner Mutter schlampte, der Psychotherapeut schluderte, Herr Doktor Bodin lachte lustlos und blätterte in einem Werbeprospekt (Möbel), der auf seinem Tisch lag, gähnte und zerknitterte das Papier, warf es zum weiter wegstehenden Papierkorb, den er verpasste, sodass das Papierknäuel daneben landete und sich langsam wieder entfaltete. Bodins Augen folgten hypnotisch der Bewegung des Papiers, als handelte es sich um die Entfaltung seines Ichs. Martin glaubte, eine Art Grausamkeit in seinem schrägen Blick zu sehen. Er stand schwerfällig auf, hob das Papier vom Boden, um es erneut in den Papierkorb zu werfen, danach aber, statt sich wieder an den Schreibtisch zu setzten, legte er sich auf seine Couch und lud Martin ein, den Sessel zu ihm zu schieben. Er fragte ihn zuerst (damit tarnte er seine Unlust an der Psyche seines »Patienten« während der nächsten drei Minuten, dachte
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