Body Farm
zu Fuß alles an«, sagte ich.
»Biegen Sie hier ab«, sagte Marino. »An der nächsten Ecke ist ihr Haus.«
»Wo liegt Emily begraben?«
»Etwa zwei Meilen von hier in der Richtung.« Er zeigte nach Osten. »Auf dem Gemeindefriedhof.«
»Gehört er zur Kirche, in der die Gruppenstunde stattgefunden hat?«
»Die Dritte Presbyterianische, ja. Stellen Sie sich den See und die Umgebung als die Washington Mall vor, dann befindet sich die Kirche an dem einen Ende und das Steinersche Haus am anderen. Dazwischen liegen zwei Meilen. «
Ich erkannte das Haus von den Fotos wieder, die ich mir am Tag zuvor in Quantico angesehen hatte. Es wirkte kleiner, was bei vielen Gebäuden der Fall ist, wenn man sie in Wirklichkeit sieht. Es lag weit weg von der Straße auf einer Anhöhe, umgeben von einem Dickicht aus Rhododendren, Lorbeersträuchern und Kiefern.
Der Kies auf dem Gehweg und die Veranda vor dem Haus waren frisch geharkt und gekehrt. Am Rand der Auffahrt stand eine Reihe prall mit Laub gefüllter Säcke. Denesa Steiner besaß eine grüne Infiniti-Limousine, ein neuer und teurer Wagen, was mich eher überraschte. Von ihr selbst sah ich, während ich wegfuhr, nur einen Arm in einem langen schwarzen Ärmel, mit dem sie Marino das Fliegengitter aufhielt.
Das Leichenschauhaus im Asheville Memorial Hospital sah nicht anders aus als die meisten anderen. Es lag im untersten Stockwerk und war ein kleiner, kahler Raum mit gekachelten Wänden, allerhand Gerätschaften aus rostfreiem Stahl und einem einzigen Seziertisch, den Dr. Jenrette nahe ans Waschbecken gerollt hatte. Bei meiner Ankunft um kurz nach neun öffnete er gerade Fergusons Leiche. Schon beim ersten Kontakt von Fergusons Blut mit der Luft stieg mir der süßliche, ekelerregende Duft von Alkohol in die Nase.
»Guten Morgen, Dr. Scarpetta«, sagte Jenrette. Er schien erfreut, mich zu sehen. »Kittel und Handschuhe sind dort drüben im Schrank.«
Ich bedankte mich, obwohl ich sie nicht brauchen würde, denn der junge Arzt würde mich nicht brauchen. Von der Autopsie erwartete ich mir sowieso keine besonderen Erkenntnisse, und als ich Fergusons Hals näher betrachtete, hatte ich die erste Bestätigung. Die rötlichen Druckstellen, die ich letzte Nacht entdeckt hatte, waren verschwunden. Im Gewebe und in den Muskeln darunter würden wir keine tiefer liegenden Verletzungen finden. Während ich Jenrette bei der Arbeit zusah, ging mir wieder einmal durch den Kopf, daß die Pathologie niemals Ermittlungsarbeit ersetzen konnte. Wären uns die Umstände nicht bekannt gewesen, hätten wir keine Anhaltspunkte für die Todesursache gehabt. Wir hätten lediglich gewußt, daß er weder erschossen noch erstochen, noch erschlagen worden und auch keiner Krankheit erlegen war.
»Sie haben sicher den Geruch der Socken bemerkt, die er sich in den Büstenhalter gestopft hatte«, sagte Jenrette, während er weiterarbeitete. »Haben Sie irgend etwas gefunden, das dazu paßt, eine Flasche Parfüm, ein Eau de Cologne?«
Er hob das Organpaket heraus. Ferguson hatte eine leichte Fettleber.
»Nein, haben wir nicht«, antwortete ich. »Und ich würde sagen, daß Duftstoffe in derartigen Szenarien im allgemeinen nur angewendet werden, wenn mehr als eine Person beteiligt ist.«
Jenrette sah zu mir hoch. »Wieso?«
»Wozu die Mühe, wenn man allein ist?«
»Das klingt einleuchtend.« Er leerte den Mageninhalt in eine Schale. »Nur ein wenig bräunliche Flüssigkeit«, fügte er hinzu. »Vielleicht ein paar nußartige Partikel. Sie sagten, er sei, kurz bevor er gefunden wurde, mit dem Flugzeug nach Asheville zurückgekommen?«
»Das stimmt.«
»Dann hat er im Flugzeug vielleicht Erdnüsse gegessen. Und dazu getrunken. Sein Blutalkoholgehalt beträgt 1,4 Promille.«
»Wahrscheinlich hat er auch noch zu Hause etwas getrunken«, sagte ich. Mir fiel das Glas Bourbon im Schlafzimmer ein.
»Also, wenn Sie sagen, daß in solchen Situationen mehr als einer dabei ist, läuft das dann homo oder hetero?«
»Häufig homo«, sagte ich. »Die Pornohefte sind hier ein wichtiger Hinweis.«
»Er hat sich nackte Frauen angesehen.«
»Nun, die Magazine, die wir in der Nähe der Leiche gefunden haben, zeigten nackte Frauen«, korrigierte ich, denn wir konnten ja nicht wissen, wen oder was Ferguson in Wirklichkeit angeschaut hatte. Wir wußten nur, was wir gefunden hatten. »Auffallend ist auch, daß wir sonst nirgendwo in seinem Haus Pornographie oder Sex-Utensilien gefunden haben«, fügte ich
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