Body Farm
mich gewandt und legte den Notizblock auf den Schreibtisch.
»Ich bin Dr. Kay Scarpetta, Chief Medical Examiner von Virginia.«
»Ich habe gehört, Sie hätten etwas mit dem FBI zu tun.«
»Ja, Sir. Ich bin dort als beratende Gerichtsmedizinerin bei der Investigative Support Unit tätig.«
»Ist das so etwas Ähnliches wie die Behavioral Science Unit?«
»Ein und dasselbe. Das Bureau hat vor ein paar Jahren den Namen geändert.«
»Das sind die Leute, die Persönlichkeitsprofile von Serienmördern und anderen anomalen Verbrechern anfertigen, von denen wir bis vor kurzem in dieser Gegend verschont geblieben sind, nicht wahr?« Er sah mich scharf an. Seine Hände lagen verschränkt in seinem Schoß.
»Genau das ist unsere Aufgabe«, sagte ich.
»Euer Ehren«, sagte Dr. Jenrette. »Die Black Mountain Police hat das FBI um Hilfe ersucht. Es wird befürchtet, daß der Mann, der die kleine Steiner ermordet hat, derselbe ist, der in Virginia mehrere Menschen umgebracht hat.«
»Das weiß ich, Dr. Jenrette. Bei Ihrem Anruf haben Sie mir das netterweise schon erklärt. Dennoch behandeln wir hier einzig und allein Ihr Ersuchen, dieses kleine Mädchen wieder ausgraben zu dürfen. Das ist so schwerwiegend und verletzt den Respekt vor den Toten so sehr, daß Sie mir schon einen überwältigend guten Grund nennen müssen, ehe ich das zulasse. Außerdem hätte ich gern, daß Sie beide Platz nehmen und es sich bequem machen. Dafür stehen die Stühle nämlich dort vor meinem Schreibtisch.«
»Sie hat einen Abdruck auf ihrer Haut«, sagte ich und setzte mich.
»Was für einen Abdruck?« Er sah mich interessiert an, während Dr. Jenrette ein Foto aus einem Umschlag zog und es auf das Dienstbuch des Richters legte.
»Er ist auf dem Foto zu erkennen«, sagte Jenrette.
Der Blick des Richters fiel auf das Foto. Sein Gesicht zeigte keine Regung.
»Wir wissen nicht, um was es sich dabei handelt«, erklärte ich. »Aber vielleicht erfahren wir so, wo der Körper gelegen hat. Es könnte auch eine Art Verletzung sein.«
Er hob das Foto hoch und sah es sich mit zusammengekniffenen Augen aus der Nähe an. »Können Sie das nicht aus dem Foto heraus analysieren? Heute gibt es doch alle möglichen wissenschaftlichen Methoden für so etwas.«
»Die gibt es«, antwortete ich. »Das Problem ist nur, daß solche Analysen dauern. Am Ende ist die Leiche dann, wenn wir sie doch noch exhumieren müssen, in einem so schlechten Zustand, daß wir nichts mehr erkennen können. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es, zu unterscheiden, ob es sich um eine Verletzung oder einen anderen Abdruck von Bedeutung auf dem Körper handelt oder um Fäulnis-Artefakte.«
»Es gibt eine Menge Umstände, die diesen Fall sehr merkwürdig erscheinen lassen, Euer Ehren«, sagte Dr. Jenrette. »Wir brauchen einfach jede Unterstützung, die wir bekommen können.«
»Wie ich höre, wurde der SBI-Agent, der an dem Fall arbeitete, gestern erhängt aufgefunden. Das habe ich aus der Morgenzeitung.«
»Ja, Sir«, sagte Dr. Jenrette.
»Zeitigt dieser Fall auch merkwürdige Umstände?«
»Das tut er«, antwortete ich.
»Ich hoffe, Sie stehen nächste Woche nicht wieder hier und wollen dann ihn ausgraben.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte ich.
»Dieses kleine Mädchen hat eine Mutter. Wie, glauben Sie, wird sie reagieren, wenn sie von Ihrem Vorhaben erfährt?«
Weder Dr. Jenrette noch ich antworteten darauf. Der Ledersessel knarrte, als der Richter sich bewegte. Er blickte an uns vorbei auf eine Wanduhr.
»Wissen Sie, das ist mein größtes Problem bei Ihrem Ersuchen«, fuhr er fort. »Ich denke an die arme Frau und an das, was sie alles durchgemacht hat. Ich möchte ihr beim besten Willen nicht noch mehr zumuten.«
»Wir würden nicht darum bitten, wenn wir es nicht im Zusammenhang mit den Ermittlungen um den Tod ihrer Tochter für wichtig hielten«, sagte ich. »Und ich weiß, Mrs. Steiner wird Gerechtigkeit fordern, Euer Ehren.«
»Gehen Sie und bringen Sie die Mutter her«, sagte Richter Begley und erhob sich aus seinem Sessel.
»Wie bitte?« Dr. Jenrette sah ihn verwirrt an.
»Ich möchte, daß die Mutter hergebracht wird«, wiederholte der Richter. »Um halb drei dürfte ich wieder zur Verfügung stehen. Ich erwarte Sie dann hier zurück.«
»Und wenn sie nicht mitkommen will?« fragte Dr. Jenrette. Wir standen beide auf.
»Daraus könnte ich ihr wahrhaftig keinen Vorwurf machen.«
»Sie brauchen ihre Zustimmung nicht«, sagte
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