Body Farm
und honigfarbenen Locken war Denesa Steiner eine Schönheit. Ihre Nase hatte etwas Vornehmes, und unter den Falten ihrer schauderhaften Kleidung verbarg sich ein wohlgeformter, sinnlicher Körper. Auch keinem männlichen Wesen im Raum waren diese Attribute entgangen. Vor allem Marino konnte den Blick nicht von ihr lassen.
»Mrs. Steiner«, eröffnete der Richter das Gespräch, »der Grund, warum ich Sie heute nachmittag zu mir gebeten habe, ist ein Ersuchen dieser beiden Ärzte, das Sie sich anhören sollten.
Außerdem möchte ich nicht versäumen, Ihnen zu sagen, wie sehr ich es zu schätzen weiß, daß Sie gekommen sind. Sie haben in dieser für Sie unbeschreiblich schweren Zeit größten Mut und Würde gezeigt, und ich habe ganz gewiß nicht die Absicht, Sie unnötigerweise noch mehr zu belasten.«
»Danke, Sir«, sagte sie ruhig. Ihre schmalen blassen Hände ruhten fest verschränkt in ihrem Schoß. »Also, diese beiden Ärzte haben auf den Fotos, die nach dem Tod der kleinen Emily gemacht wurden, ein paar Dinge entdeckt, die ihnen Rätsel aufgeben. Deswegen möchten sie sie sich noch einmal ansehen.«
»Wie soll das gehen?« fragte Mrs. Steiner unschuldig mit fester und zugleich sanfter Stimme, die keinen North-Carolina-Akzent hatte.
»Also, sie möchten sie exhumieren«, antwortete der Richter.
Mrs. Steiner fuhr nicht auf, sie wirkte nur verwirrt, und mein Herz fühlte ihren Schmerz, als ich sah, wie sie gegen die Tränen ankämpfte.
»Bevor ich ja oder nein dazu sage«, fuhr Begley fort, »wollte ich wissen, wie Sie dazu stehen.«
»Sie wollen sie wieder ausgraben?« Mrs. Steiner sah zuerst Dr. Jenrette an und dann mich.
»Ja«, übernahm ich die Antwort. »Wir würden sie gern umgehend noch einmal untersuchen.«
»Was könnten Sie denn jetzt noch finden, was Sie vorher nicht gesehen haben?« Ihre Stimme zitterte. »Vielleicht nichts von Bedeutung«, sagte ich. »Aber die Fotos zeigen ein paar Details, die ich mir gern näher ansehen würde, Mrs. Steiner. Diese ungeklärten Dinge könnten uns helfen, den Täter zu finden, der Emily das angetan hat.«
»Mrs. Steiner, wollen Sie uns helfen, den verdammten Kerl zu schnappen, der Ihr Kind umgebracht hat?« fragte der Richter.
Sie nickte heftig unter Tränen, und Marino sagte wütend: »Sie helfen uns, und ich verspreche Ihnen, wir kriegen den verfluchten Bastard.«
»Es tut mir leid, Ihnen das zumuten zu müssen«, sagte Dr. Jenrette, von dem ich wußte, daß er für immer das Gefühl haben würde, versagt zu haben, ganz gleich, welches Ergebnis die Exhumierung bringen würde.
»Dann können wir es also in Angriff nehmen?« Begley beugte sich in seinem Sessel vor, wie zum Sprung bereit. Wie alle im Raum spürte er, welch schrecklichen Verlust diese Frau erlitten hatte, spürte ihre tiefe Verletzlichkeit. Ich war mir sicher, seine Betrachtungsweise von Tätern, die auf der Anklagebank mit schlimmen Kindheitsgeschichten und sonstigen Ausreden aufwarteten, würde nie mehr dieselbe sein wie vorher.
Weil sie keine Worte fand, nickte Denesa Steiner noch einmal. Dann führte Marino sie aus dem Raum und ließ Jenrette und mich mit dem Richter allein.
»Es wird früh dunkel, und es ist noch einiges vorzubereiten«, sagte Begley.
»Wir müssen eine ganze Reihe von Leuten zusammentrommeln«, pflichtete ich bei.
»Welches Beerdigungsunternehmen hat die Beisetzung durchgeführt?« fragte Begley Jenrette.
»Wilbur's.«
»Aus Black Mountain?«
»Ja, Euer Ehren.«
»Der Name des Geschäftsführers?« Der Richter machte sich Notizen. »Lucias Ray.«
»Was ist mit dem Detective, der den Fall bearbeitet?«
»Er liegt im Krankenhaus.«
»Ach, das habe ich ja gehört.« Richter Begley sah auf und seufzte.
Ich wußte nicht genau, warum ich direkt hinfuhr, aber ich hatte es sowieso vorgehabt, und außerdem war ich wütend auf Marino. Vor allem sein blöder Vergleich meines Mercedes mit einem Infiniti hatte mich auf irrationale Weise gekränkt.
Ob er damit nun recht hatte oder nicht, war gar nicht der springende Punkt, sondern seine offenkundige Absicht, mich zu ärgern und zu provozieren. Selbst wenn ich hätte befürchten müssen, es mit Loch-Ness-Ungeheuern, furchterregenden Alligatoren oder den ruhelosen Seelen Verstorbener zu tun zu bekommen, hätte ich Marino jetzt nicht gebeten, mich zu begleiten. Und wenn er es seinerseits angeboten hätte, hätte ich abgelehnt - trotz meiner Angst vor Wasserschlangen, denn vor Schlangen graust es mir wirklich, ob vor
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