Body Farm
Trenchcoat und flachem Filzhut auf dem Kopf stieg aus und öffnete die Hecktür. Die Totengräber schoben den Sarg hinein.
Marino sah aus einiger Entfernung zu und wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht. Als der Leichenwagen hinausfuhr, trat ich zu ihm und sagte ruhig: »Wir müssen miteinander reden.«
»Im Augenblick muß ich gar nichts.« Sein Gesicht war blaß. »Ich fahre jetzt zu Dr. Jenrette ins Leichenschauhaus. Kommen Sie mit?«
»Nein«, sagte er. »Ich fahre zurück ins Travel-Eze. Da trinke ich Bier, bis ich wieder kotzen muß, und dann gehe ich zu Bourbon über. Danach rufe ich das Arschloch von Wesley an und frage ihn, wann wir endlich aus dieser dreckigen Scheißstadt wegkönnen. Ich muß Ihnen nämlich sagen, daß ich kein anständiges Hemd mehr dabeihabe. Und dieses hier habe ich gerade ruiniert. Ich habe nicht einmal eine Krawatte.«
»Gehen Sie ins Hotel und legen Sie sich hin, Marino.«
»Ich lebe aus einer so großen Tasche.« Er streckte die Hände aus, nicht allzuweit entfernt voneinander.
»Nehmen Sie Aspirin, trinken Sie soviel Wasser wie möglich und essen Sie ein bißchen Toast. Ich sehe nach Ihnen, wenn wir im Krankenhaus fertig sind. Wenn Benton anruft, sagen Sie ihm, ich habe mein Handy bei mir, oder er kann mich anpiepsen.«
Marino wischte sich noch einmal über das Gesicht und sah mich über das Taschentuch hinweg an. Einen Moment lang sah ich den Schmerz in seinem Blick, dann war wieder eine Wand zwischen uns beiden.
9
Dr. Jenrette saß über seinen Papieren, als ich kurz vor zehn, zugleich mit dem Wagen des Bestattungsinstituts, am Leichenschauhaus ankam. Er lächelte mich nervös an. Ich legte meine Kostümjacke ab und zog eine Plastikschürze über.
»Haben Sie eine Ahnung, wie die Presse von der Exhumierung erfahren haben könnte?« fragte ich und faltete einen Chirurgenkittel auseinander.
Er sah mich überrascht an. »Was ist passiert?«
»Ungefähr ein Dutzend Reporter ist auf dem Friedhof aufgetaucht.«
»Das ist wirklich eine Schande.«
»Wir müssen unbedingt dafür sorgen, daß nicht noch mehr durchsickert«, sagte ich, bemüht um einen ruhigen Tonfall, und band den Kittel am Rücken zu. »Was hier passiert, muß in diesen vier Wänden bleiben, Dr. Jenrette.«
Er sagte nichts.
»Ich weiß, ich bin nur zu Besuch hier, und ich könnte es durchaus verstehen, wenn Sie über meine Gegenwart verdammt ärgerlich wären. Sie müssen also nicht glauben, ich hätte kein Gespür für die Situation oder würde Ihre Autorität nicht anerkennen. Aber Sie können sicher sein, daß der Mörder dieses kleinen Mädchens, wer immer das auch sein mag, nicht lockerlassen wird, um alle Neuigkeiten zu erfahren. Wenn irgend etwas durchsickert, wird er es herausbekommen. «
Dr. Jenrette hörte mir aufmerksam zu. Liebenswürdig, wie er war, schien er nicht im mindesten gekränkt.
»Ich denke gerade darüber nach, wer alles von der Exhumierung gewußt hat«, sagte er. »Wenn es einmal nach außen gedrungen ist, könnte das eine große Anzahl von Personen sein.«
»Wir müssen dafür sorgen, daß sich nichts von dem, was wir hier heute möglicherweise herausfinden, herumspricht«, sagte ich. Im selben Moment hörte ich, wie Emilys Leiche herangeschafft wurde.
Lucias Ray kam als erster herein, direkt hinter ihm der Mann mit dem Filzhut, der die Rollbahre mit dem weißen Sarg hinter sich her zog. Sie schoben den Sarg durch die Tür und stellten ihn neben dem Seziertisch ab. Ray zog eine Metallkurbel aus der Manteltasche und steckte sie in eine kleine Öffnung am Kopfende des Sargs. Dann kurbelte er am Verschluß.
»Das müßte reichen«, sagte er, zog die Kurbel ab und ließ sie in seine Tasche zurückgleiten. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich hier warte und mir mein Werk noch einmal ansehe. Eine solche Gelegenheit bekomme ich sehr selten, da wir normalerweise die Leute, die wir beerdigt haben, nicht wieder ausgraben.«
Er wollte den Deckel schon anheben, als Dr. Jenrette die Hände auf den Sarg legte, um ihn daran zu hindern. Ich hätte es ebenso getan.
»Normalerweise wäre das kein Problem, Lucias«, sagte Dr. Jenrette. »Aber es wäre wirklich nicht gut, wenn außer uns noch jemand hier anwesend wäre.«
»Ich finde das ziemlich übertrieben.« Rays Lächeln gefror. »Schließlich habe ich dieses Kind auch vorher schon gesehen. Ich kenne es von innen wie von außen besser als seine eigene Mama.«
»Lucias, bitte gehen Sie jetzt, damit Dr. Scarpetta
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