Body Farm
daß es sehr schwierig sein wird, herauszufinden, was sie wirklich gesucht hat und für wen.«
»Sind die Projekte, an denen die Ingenieure arbeiten, denn wirklich so geheim?«
»Einige schon und die Technologien allemal, vom Sicherheitsstandpunkt aus. Es soll nicht bekannt werden, daß wir in der einen Situation diese Technologie anwenden, in der anderen jene.«
»Das kann sie nicht getan haben«, sagte ich. »Wir wissen es mit Sicherheit. Die Frage ist nur, warum.«
»Gut. Warum also?« Ich kämpfte mit den Tränen. »Geld. Das ist jedenfalls meine Vermutung.«
»Das ist lächerlich. Sie weiß, wenn sie Geld braucht, kann sie zu mir kommen.«
»Kay« - Wesley beugte sich vor und legte die gefalteten Hände vor sich auf den Tisch -, »hast du überhaupt eine Ahnung, welchen Wert einige dieser Informationen besitzen?«
Ich gab keine Antwort.
»Stell dir zum Beispiel vor, die ERF hätte ein Überwachungsgerät entwickelt, das Hintergrundgeräusche wegfiltert, dann könnten wir praktisch überall in der Welt jedes für uns interessante Gespräch abhören. Stell dir vor, wer alles da draußen nur zu gern Details von der schnellen Entwicklung unserer Modelle oder unserer taktischen Satellitensysteme hätte oder, in diesem Fall, die Software zu der Künstlichen Intelligenz, an der Lucy arbeitet...«
Ich hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Das reicht«, sagte ich und holte zitternd tief Luft.
»Dann sag du mir, warum«, sagte Wesley. »Du kennst Lucy besser als ich.«
»Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich sie überhaupt kenne. Und ich weiß nicht, wie sie so etwas tun konnte, Benton.« Er sagte nichts und starrte für einen Moment in die Ferne, ehe sich unsere Blicke wieder trafen.
»Du hast angedeutet, du machst dir Sorgen wegen ihrer Trinkerei. Kannst du etwas genauer werden?«
»Ich nehme an, es geht ihr mit dem Trinken wie mit allen Dingen - für sie gibt es nur Extreme. Lucy ist entweder sehr brav oder sehr ungezogen, und der Alkohol ist nur ein Beispiel.« Ich wußte, daß ich mit diesen Worten Wesleys Verdacht nur verstärkte.
»Ich verstehe«, sagte er. »Gibt es in ihrer Familie Fälle von Alkoholismus?«
»Langsam glaube ich, daß es die in jeder Familie gibt«, sagte ich bitter. »Aber es stimmt. Ihr Vater war Alkoholiker.«
»Also dein Schwager.«
»Das war er nur sehr kurze Zeit. Dorothy hat viermal geheiratet. «
»Weißt du eigentlich, daß es Nächte gab, in denen Lucy nicht in ihr Zimmer zurückgekehrt ist?«
»Davon weiß ich nichts. War sie denn in der Nacht des Einbruchs in ihrem Zimmer? Sie hat doch Mitbewohnerinnen und eine Zimmergenossin.«
»Sie könnte sich hinausgeschlichen haben, als alles schlief.
Wir wissen es also nicht. Kommt ihr gut miteinander aus, du und deine Nichte?« fragte er dann.
»Nicht besonders.«
»Kay, könnte sie so etwas getan haben, um dich irgendwie zu strafen?«
»Nein«, sagte ich. Ich merkte, daß ich langsam ärgerlich wurde. »Und es gefällt mir gar nicht, daß du mich benutzt, um ein Profil meiner Nichte zu erstellen.«
»Kay«, sagte Benton mit weicher werdender Stimme, »ich wünschte genauso sehr wie du, daß es nicht wahr ist. Schließlich habe ich sie der ERF empfohlen, und ich war es auch, der sie nach ihrem Universitätsabschluß für uns anheuern wollte. Glaubst du, ich fühle mich besonders gut bei dieser Sache?«
»Es muß eine andere Erklärung dafür geben, daß das passiert ist.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Selbst wenn jemand Lucys PIN herausbekommen hätte, wäre er nicht weitergekommen. Das biometrische System verlangt ja auch den entsprechenden Fingerabdruck.«
»Dann wollte sie ertappt werden«, erwiderte ich. »Lucy wußte besser als irgend jemand sonst, daß jede Ein- und Ausschaltzeit sowie die Dauer der Bearbeitung einer bestimmten Datei und so weiter registriert werden.«
»Das stimmt. Sie wußte das besser als jeder andere. Und gerade darum interessiert mich das mögliche Motiv. Mit anderen Worten, was versuchte sie zu beweisen? Wen wollte sie treffen?«
»Benton«, sagte ich. »Was passiert jetzt mit ihr?«
»Das OPR wird eine offizielle Ermittlung gegen sie einleiten«, antwortete er. Er meinte damit das Office of Professional Responsibility des FBI, vergleichbar mit den Abteilungen für Innere Angelegenheiten der Polizei.
»Und wenn sie schuldig ist?«
»Das hängt davon ab, ob wir ihr einen Diebstahl nachweisen können. Wenn ja, ist es ein schweres Vergehen.«
»Und wenn sie keinen Diebstahl
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