Böse Dinge geschehen
Zustand.
Elizabeth fuhr zum Stellplatz 305. Die Tür des extrabreiten Wohnmobils war kirschrot. Die Frau, die auf ihr Klopfen hin aufmachte, trug Sandalen, eine Trainingshose und ein Tank-Top. Das Tank-Top dehnte sich über ihren dicken Bauch.
»Ich suche Michael Beccanti«, sagte Elizabeth.
»Wer sind Sie?«
Elizabeth zeigte ihre Erkennungsmarke. »Detective Waishkey«, sagte sie.
»Mike ist nicht hier.«
»Wie heißen Sie?«
|113| »Karen.«
»Wohnt Mr Beccanti hier?«
»Manchmal.«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
»Das ist eine Weile her. Was wollen Sie von ihm?«
»Ich muss mit ihm sprechen.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Er ist nicht hier.«
Elizabeth lächelte freundlich. »Wie weit sind Sie denn, Karen?«
Die Frau legte die Hand auf ihren Bauch. An ihrem Finger steckte ein Ring mit einem sehr kleinen Diamant.
»Das ist eine persönliche Frage, oder?«, erwiderte sie. »Ich glaube nicht, dass Sie mir persönliche Fragen stellen dürfen.«
»Da haben Sie recht«, sagte Elizabeth. »Das geht mich eigentlich nichts an. Sind Sie mit Mr Beccanti verlobt?«
»Das ist noch so eine persönliche Frage.«
»Ich versuche nur, die Lage richtig einzuschätzen. Mr Beccanti wohnt hier manchmal, und es ist eine Weile her, dass Sie ihn gesehen haben. Hört sich nach einer sehr lockeren Beziehung an.«
Die Frau verschränkte die Arme über ihrem Bauch. »Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?«
»Sie könnten mir sagen, wo ich Michael Beccanti finden kann«, sagte Elizabeth.
»Ich weiß nicht, wo er ist.«
»Das kann ich kaum glauben.«
»Ich werde mir deshalb keine schlaflosen Nächte machen. Mike hat seine Zeit abgesessen, und er hat seine Bewährung hinter sich. Er ist jetzt ein freier Mensch. Ich habe einen Cousin, der Jura studiert. Ich weiß, wie das läuft. Ich muss nicht mit Ihnen reden, ich muss Ihnen nichts über Mike sagen, ich muss Ihnen keine Fotos zeigen –«
»Ich habe Sie nicht nach Fotos gefragt.«
»Nein, das haben Sie nicht. Ich sollte wohl dankbar sein.«
»Hat Sie jemand nach Fotos gefragt?«
|114| »Ein anderer Bulle«, sagte die Frau bitter. »Er wirkte jedenfalls wie ein Bulle. Er hatte einen Namen wie eine Waffe. Luger.«
Elizabeth blinzelte. »Loogan.«
»Genau.«
»Und er wollte ein Foto von Mr Beccanti sehen?«
»Ich habe ihm keins gezeigt. Er hat ungefähr genauso viel aus mir herausgekriegt wie Sie.«
»Geschieht ihm recht. Schauen Sie, Karen, tun Sie mir einen Gefallen. Wenn Sie das nächste Mal von Mr Beccanti hören, sagen Sie ihm bitte, er möchte mich anrufen.« Elizabeth fischte eine Karte aus ihrer Tasche. »Ich möchte ihm nur ein paar Fragen stellen.«
Die Frau nahm die Karte wortlos in Empfang. Sie hielt sie noch immer in der Hand, stand noch immer in der Tür, als Elizabeth wegfuhr.
|115| 13
»Der Große mit den weißen Haaren«, sagte Loogan. »Das ist Nathan Hideaway.«
Elizabeth schirmte ihre Augen gegen die mittägliche Sonne ab. »Den Namen habe ich schon mal gehört«, sagte sie. »Das ist ein Schriftsteller.«
»Er schreibt Thriller. Alle seine Bücher haben im Titel einen Monat:
Januarregen. Tod im September. Die längste Nacht im Juni.
«
»Und die Frau neben ihm?«, fragte Elizabeth.
»Bridget Shellcross.«
»Ist sie auch Schriftstellerin?«
»Sie schreibt eine Krimiserie über eine Kunsthändlerin, die mit Hilfe ihres Golden Retrievers Fälle löst.«
»Wirklich?«
»Es muss eben alles geben.«
Der Himmel war klar und das Wetter für Ende Oktober sehr mild. Loogan hatte sich von den Trauergästen, die in Trauben um Tom Kristolls Grab herumstanden, ferngehalten und sich in die Nähe des Friedhofszauns gestellt. Dort hatte ihn Elizabeth gesehen.
Sie war zuvor schon beim Trauergottesdienst gewesen, an dem sehr viele Menschen teilgenommen hatten. Als Loogan an diesem Morgen zum Bestattungsunternehmen gekommen war, hatte er Laura Kristoll entdeckt, die in einem schwarzen, hochgeschlossenen Kleid mit langen Ärmeln allein in einem Korridor stand. Sie hatten sich aus der Ferne angesehen, und dann war sie zu ihm gekommen und hatte ihn umarmt. Ihr Haar hatte sich an |116| seinem Hals ganz weich angefühlt. »David«, sagte sie nur. Und dann hatten sich andere zu ihnen gesellt: Lauras Schwester und Vater, Toms Bruder und Schwester, die eigens angereist waren.
Als weitere Trauergäste eintrafen, trat Loogan allmählich in den Hintergrund. Er stand an die rückwärtige Wand der Aussegnungshalle gelehnt, während
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