Böse Dinge geschehen
Haar frisierte. Er wartete unten auf sie. Als sie gingen, verschloss sie die Haustür und schob zusätzlich den Schließriegel vor. Loogan fragte sich, ob Michael Beccanti an so einem Riegel vorbeikam. Nötig wäre es allerdings nicht, denn Loogan hatte die Terrassentür aufgeschlossen.
Sie fuhren zunächst in ein Café, um dort eine Kleinigkeit zu essen, und gingen dann ins Firefly. Auf der Bühne spielte ein Blues-Trio. Die Zuhörer waren zurückhaltend. Loogan führte Laura zu einem Tisch in der Ecke, die am weitesten von der Bar entfernt war. Sie lehnte sich an ihn, und sie hörten schweigend zu.
Später gingen sie zur Parkgarage, wo er seinen Wagen abgestellt hatte. Als sie auf den Aufzug warteten, legte sie die Arme um ihn, küsste ihn und begann zu weinen. Der Wagen stand im dritten Stock, aber sie nahmen den Fahrstuhl bis ganz nach oben und standen da, sahen über die Betonmauer hinweg in die kühle Nacht und sprachen über Tom.
»Glaubst du, er hat Angst gehabt?«, sagte sie.
Loogan wusste, was sie meinte. Von ihrem Standort aus konnten sie das Gebäude sehen, in dem die Redaktion von
Gray Streets
lag. Sie konnten den Abstand zwischen dem fünften Stock und dem Bürgersteig unten ermessen.
»Nein«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass er da noch irgendetwas mitgekriegt hat.«
Sie hob die Schultern und vergrub ihre Hände in den Manteltaschen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, David. Ich hätte heute ein Seminar geben sollen, aber ich bin nicht hingegangen. Der Leiter meines Fachbereichs ist ein alter Freund von mir. Er hat darauf bestanden, dass ich mindestens zwei Wochen Urlaub mache. Er wollte, dass ich den Rest des Semesters freinehme.«
|193| »Vielleicht solltest du das.«
»Aber was soll das bringen?«, fragte sie. »Ich arbeite lieber. Ich bin sonst bloß allein im Haus, und jede Minute, die ich dort verbringe, erinnert mich an Tom –«
Die Worte schienen ihr im Halse stecken zu bleiben. Sie senkte den Kopf. Loogan beobachtete sie. Er dachte, sie würden weinen, aber sie weinte nicht. Sie stand still und klein da, und Loogan hätte sie gern getröstet, aber er fühlte sich wie ein Schwein. Er hatte sie von ihrem Haus weggelockt, und jetzt war Michael Beccanti dort und durchwühlte ihre Sachen. Beccanti und er hatten einen Plan ausgeheckt – einen Plan mit einem geheimen Zeichen, mit Mantel-und-Degen-Quatsch. Loogan hatte ein Handy in der Tasche, das er erst an diesem Tag gekauft hatte. Er würde Laura so lange wie möglich von zu Hause weghalten, und bevor er sie zurückbrächte, würde er Beccantis Handynummer wählen und es zweimal klingeln lassen. Er müsste außer Sichtweite Lauras sein, um diesen Anruf machen zu können, aber auch das hatte er schon bedacht. Er hatte dafür gesorgt, dass sein Tank fast leer war, so dass er einen Grund hatte, später an einer Tankstelle zu halten. Er würde die Nummer wählen können, wenn er zum Bezahlen hineinging.
Er stand da und sah auf die Straße hinunter, die Hände in den Taschen seines schwarzen Ledermantels. Er atmete die kühle Luft ein. Seine rechte Hand schloss sich um ein zusammengefaltetes Stück Papier in seiner Tasche. Das war auch ein Teil des Plans. Er hatte Beccanti nicht davon erzählt, es war seine eigene Idee. Er dachte, er sollte Laura Fragen stellen, solange er sie für sich hatte. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Zettel war eine Requisite, ein Weg, das Thema anzuschneiden.
Er zerknüllte das Papier in seiner Tasche. Der Plan war lächerlich. Er sollte Laura nach Hause bringen und die ganze Sache vergessen. Beccanti anrufen, ihn warnen und dann nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er sah zu, wie die Ampel unten auf der Straße von Grün auf Gelb umsprang. Er spürte Laura neben |194| sich, spürte, wie ihre Hand in seine Tasche glitt, ihre Handfläche warm an seinem Handrücken.
Sie sah zu ihm auf, ihr Gesicht war nah an seinem. Ihre Finger berührten den Zettel. »Was ist das?«, sagte sie.
»Nichts«, sagte er.
»Etwas ist es doch.«
»Wir sollten gehen«, sagte er. »Wir stehen schon zu lange hier.«
»Du bist so ernst geworden, David. Wovor hast du Angst?«
»Vor Parkgaragen«, antwortete er, ohne zu zögern.
»Wirklich?«
»Sie sind gefährlich. Vierzig Prozent aller Gewaltverbrechen geschehen auf den Oberdecks von Parkgaragen.«
Sie lächelte und blickte über ihre Schulter. »Außer uns ist niemand hier.«
»Genau so fängt es an«, sagte er. »Man glaubt sich in Sicherheit und passt nicht auf, und wenn
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