Böse Dinge geschehen
Er hat gesagt, dass er diesen Mann nicht erstochen hat.«
|228| Elizabeth fuhr an einer kahlen Baumreihe vorbei. »Das Gleiche hat er auch zu mir gesagt. Vermutlich stimmt es.«
»Na, also überraschend ist das ja wohl nicht«, sagte Sarah. »Er ist Lektor. Er weiß, wie man jongliert. Da ist man doch nicht gemeingefährlich oder so.«
Elizabeth musste niemanden davon überzeugen, Sean Wrentmores Tod ernst zu nehmen. An diesem Punkt hatte Loogan recht gehabt.
Sie erreichte die City Hall und erfuhr, dass Laura Kristoll gerade gegangen war. Ihr Rechtsanwalt Rex Chatterjee und sie hatten sich mit Owen McCaleb in seinem Büro zusammengesetzt. Der Zweck ihres Besuches galt der Ablieferung einer kurzen Stellungnahme – drei Seiten, einzeilig. Elizabeth sah eine Kopie davon auf ihrem Schreibtisch liegen. Es handelte sich um Laura Kristolls Beschreibung der Umstände von Wrentmores Tod, so wie sie ihr von ihrem Mann übermittelt worden waren.
Carter Shan war bei dem Gespräch dabei gewesen. Er erzählte Elizabeth alles darüber. »Ich habe sie gefragt, warum sie damit nicht früher zu uns gekommen ist«, sagte er. »Aber Chatterjee hat sie nicht antworten lassen. Er sagte, jede weitere Frage solle man seiner Kanzlei vorlegen. Anscheinend sollen wir dankbar dafür sein, dass sie überhaupt zu uns gekommen ist. Wir sollen irgendwie nicht merken, dass sie uns seit beinahe einem Monat ihre Kenntnisse im Zusammenhang mit einem Mordfall vorenthält.«
Elizabeth meinte zu verstehen, warum Laura beschlossen hatte, ihre Aussage jetzt zu machen. Loogan hatte ihr wahrscheinlich sein Vorhaben angekündigt, über Sean Wrentmore zu sprechen.
Shan deutete mit einem Nicken auf McCalebs Büro. »Der Boss telefoniert mit dem Bezirksstaatsanwalt«, sagte er. »Chatterjee hat ihn auf hundertachtzig gebracht. Er will in Erfahrung bringen, ob er gerichtlich gegen Laura Kristoll vorgehen kann.«
|229| Einen Augenblick später erschien McCaleb in seiner Bürotür und rief Elizabeth und Shan zu sich herein. Müde schüttelte er den Kopf, als Shan ihn nach seinem Gespräch mit dem Staatsanwalt fragte.
»Er möchte, dass wir Laura Kristoll mit Samthandschuhen anfassen«, sagte McCaleb. »Er meint, dass sie schon genug gelitten hat, wenn man den Tod ihres Mannes bedenkt.« Er machte ein missmutiges Gesicht. »Er würde es nie zugeben, aber ich glaube, Chatterjee hat schon mit ihm gesprochen. Die beiden haben zusammen Jura studiert.«
Als er sich in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch sinken ließ, begann Elizabeth, ihm von dem Anruf zu erzählen, den sie von David Loogan erhalten hatte. Sie berichtete von Loogans Version der Ereignisse in seinem Haus in der vorigen Nacht. Den Teil mit dem Erpresserbrief hob sie sich bis zum Schluss auf.
»Dann hat also jemand Tom Kristoll erpresst«, sagte McCaleb. »Jemand, der wusste, dass Sean Wrentmore tot ist.«
»Allem Anschein nach.«
Shan griff nach den Seiten mit Laura Kristolls Aussage, die auf McCalebs Schreibtisch lagen. »Hier steht nichts über eine Erpressung drin«, sagte er.
»Nein«, sagte McCaleb sanft. »Mrs Kristoll hat versäumt, das zu erwähnen.«
»Halten wir es für möglich, dass sie vielleicht nichts davon wusste?«
»Das ist möglich«, sagte McCaleb. »Wir werden sie danach fragen müssen.«
»Dürfen wir das denn?«, entgegnete Elizabeth ein wenig spitz.
McCaleb lächelte sie bitter an. »Wir werden sie ganz lieb danach fragen, und zwar über ihren Anwalt. In der Zwischenzeit handeln wir auf der Basis der Informationen, die wir bekommen haben. Dann wollen wir mal sehen, was wir über Sean Wrentmore herausfinden können.«
|230| Sean Wrentmores Schlafzimmer war an einer Wand mit einem Rollo ausgestattet, das eine gläserne Schiebetür verdeckte. Diese führte auf eine rechteckige Zementfläche, die als Terrasse diente.
Elizabeth trat auf den Zementboden hinaus. Die Sonne war untergegangen, und das Gras jenseits der Terrassen wirkte im Dunkeln dürftig. Am Rande von Wrentmores Garten bildeten einige Kiefern eine nicht ganz geschlossene Reihe. Hinter jenen Bäumen führte ein Abhang bis zu dem Parkplatz einer Restaurantkette hinunter. Das Schild über dem Eingang zum Restaurant war ein heller Halbkreis, wie ein riesiger Mond, der tief am Himmel hing.
Elizabeth begann sich ein Bild von Sean Wrentmore zu machen. Das war sein Ausblick gewesen, die kleine Welt, in der er lebte. Wenn er an seinem Schreibtisch im Schlafzimmer saß, blickte er immer auf diesen
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