Böse Freundin (German Edition)
echtes Wetter ahnen ließ. Auf dem Weg zur Parkgarage zupfte eine Brise an ihnen wie ein aufgekratztes Kind.
«Bist du mit dem Wagen von deiner Mom da?», fragte Huck. «Na klar, blöde Frage. Dein Dad hat sich ja gerade einen neuen zugelegt, oder?»
«Hab ich dir das nicht erzählt? Diesmal ist er silbern.»
«Ach, richtig, mit dem Glasschiebedach? Wär’s dann okay, wenn du fährst? Ich traue diesem komischen Dings für die Lendenwirbelsäule nicht, auf das deine Mom so schwört.»
Celia nickte, als hätten sie dies soeben spontan beschlossen, als wäre nicht von vornherein klar gewesen, dass sie hinter dem Steuer sitzen würde. Hucks angeborene Geschicklichkeit war ein streng auf seinen Körper begrenztes Phänomen. Was er in der Hand halten oder am Leib tragen konnte – eine Gitarre, Schlittschuhe, ein Schnitzmesser –, beherrschte er meisterlich, doch bei allem, was darüber hinausging – ein Fahrrad etwa oder ein Auto –, versagte seine Kunst. Dank seines späten Eintritts in die Welt der Pkw-Lenker fuhr er immer auf der äußersten rechten Spur und ließ, in strikter Beachtung sämtlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen, alle anderen Wagen an sich vorbeiziehen. Als Beifahrerin neben Huck zu sitzen war für Celia, die seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr Auto fuhr, eine Übung in Frustrationsbewältigung. Die Illusion, sich beim Fahren stets abzuwechseln, erhielten sie weniger zur Schonung von Hucks Ego aufrecht, als vielmehr, um auch in diesem Bereich das Gleichgewicht in ihrer Beziehung zu wahren. Sie teilten die Hausarbeit gerecht zwischen sich auf und zahlten die Hypothek für die Wohnung gemeinsam ab. In den ersten Monaten ihres Zusammenlebens hatten sie regelmäßig die Plätze im Bett getauscht, doch angesichts der Unterschiede zwischen Ihm und Ihr – bezüglich Lieblingslektüren, abendlichen Hygienemaßnahmen und Einschlafhilfen – hatten die praktischen Erwägungen schließlich über Hucks Furcht gesiegt, am Ende noch so zu werden wie seine Eltern. Gleichheit und Gleichstellung waren zwei Paar Schuhe, so ihre Erkenntnis, die sich weltweit an Nachttischen und Schneeflocken demonstrieren ließ.
Die Route 81 bot Ausblicke auf Wälder und Hügel; auf die kleinen Seen südlich von Syracuse folgten Getreidespeicher und gepflügte Felder. Huck schob den Beifahrersitz zurück und legte die Füße aufs Armaturenbrett, die Sohlen seiner Turnschuhe drückten sich an die Windschutzscheibe. Das war seine Lieblingshaltung auf Autofahrten, die bei ihm so natürlich aussah, dass Celia es ebenfalls einmal damit versucht hatte – um nach fünf Sekunden zu merken, wie lächerlich unbequem sie für jeden anderen war. Sie tauschten sich über halb erinnerte Träume und kurzfristige Misshelligkeiten, kleine Glücksmomente und die eine oder andere Schlappe der vergangenen fünf Tage aus – Nichtigkeiten, die durch die Nähe wieder an Bedeutung gewannen. Die Intensität, mit der Huck sprach, kannte Celia ursprünglich von ihrem Vater, fand sie aber als gereifte Frau in der übertragenen Form durchaus sexy. Huck neckte sie manchmal, sie hätten sich jahrelangen Herzschmerz sparen können, wenn sie einander früher begegnet wären, doch Celia war anderer Ansicht. Ihr bisheriges Liebesleben war zu zweigleisig verlaufen, war zu oft von dem, was ihre Eltern zu bemerken oder zu bemängeln hatten, schon im Keim erstickt worden. Wären sie einander früher begegnet, hätte Celia Huck womöglich verworfen.
Als sie Huck traf, hatte sie bereits eingesehen, dass Leidenschaft ein angeborener Wesenszug war wie das absolute Gehör oder ein fotografisches Gedächtnis – bewundernswert und niemals erlernbar. Physische Leidenschaft war nicht genug. Sie beneidete ihren Vater um seine Begeisterung für Bebop, Huck um den Feuereifer, mit dem er von den satirischen Schriften Benjamin Franklins sprach. Als Jugendliche hatte sie sich darüber lustig gemacht, dass Jeremy der Reihe nach für Dinosaurier, die griechische Sagenwelt, Mittelerde, den Bassisten von Kiss und Trent Reznor von den Nine Inch Nails schwärmte – und sich insgeheim nach etwas gesehnt, das auch sie selbst so ganz und gar in Beschlag nähme. Die Unberechenbarkeit von Djunas Leidenschaften hatte einen Teil ihres Reizes ausgemacht: Alles, worauf ihr Blick fiel, war Freiwild für sie. Im Nachhinein wurde Celia klar, dass ihre Freundschaft der erste von vielen irregeleiteten Versuchen gewesen war, sich wie auf einer «Windpockenparty» durch engen und
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