Böse Freundin (German Edition)
Verstärkung von der Staatspolizei, mit freiwilligen Suchtrupps. Frank hatte sehr gemischte Gefühle, als sie die Ripley Road zur Schnellstraße ausbauten. Sie war sein letzter Anknüpfungspunkt in dem Fall, und den wollte er wohl immer noch nicht in den Wind schreiben. Er ist vor ein paar Jahren in Pension gegangen und nach Arizona gezogen. Gar nicht so übel, die Idee, wenn du mich fragst. Ich glaube, ich werde hier auch nicht besonders alt. Wird langsam Zeit, dass ich mal ein ganz neues Kapitel aufschlage.»
Er lehnte sich zurück und reckte die Arme; unter den Achseln zeichneten sich dunkle Ovale ab. Der Länge nach ausgestreckt sah er zu Celia. «So, nun erzähl mal, Celia Durst, wohin hast du dich verdrückt?»
«Nach Chicago», sagte sie. Die anderen beiden Schreibtische waren leer. Durch eine offen stehende Tür hörte sie jemanden telefonieren. Sie heftete den Blick auf den Eingang, als wollte sie einen weiteren Besucher heraufbeschwören.
«Nach Chicago, soso. Das liegt an einem See, stimmt’s? Ich könnte mir schon vorstellen, in einer Großstadt zu leben, wenn da ein See in der Nähe ist.» Er beendete seine Dehnübung und beugte sich über die zerkratzte Schreibtischplatte. «Sag mal, du hättest wohl nicht zufällig Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen? Ich kenne da einen echt netten Italiener in Maynard. Dann könntest du mir alles über Chicago erzählen.»
Sie lachte kurz und bissig; es klang wie ein verunglückter Rülpser. «Ich glaube eher nicht», sagte sie, eine Oktave höher als gewöhnlich. «Mein Freund –»
Gryzbowski wedelte abwehrend mit seinen Stummelfingern. «Hey, ich hab keinen Ring gesehen, da dachte ich mir, fragen kostet nichts. Ich muss wohl mit der Sprache rausrücken, Celia. Der Typ, der in der Highschool auf dich stand, das war ich.»
«Oh», sagte sie. «Das ist ja sehr schmeichelhaft –»
«Aber völlig unangebracht. Eine berufliche Schwäche. Vergiss es einfach. Und tut mir leid, dass ich dir nichts Brauchbareres zum Thema Ripley Road liefern kann. Obwohl, wenn du mich fragst, der Widerling, der die Kleine mitgenommen hat, der hätte sie nie wieder dorthin zurückgebracht, wo er ihr begegnet ist.»
«Was wäre mit einem Loch?», platzte es aus ihr heraus.
«Mit einem was?»
«Einem Loch.» Sie war nahe daran, ihm den Rücken zuzukehren und hinauszugehen. «So was wie ein alter, verlassener Brunnen?» Sie suchte nach unverdächtigen Formulierungen. «Was wäre, wenn – wenn er sie da reingeworfen und ihrem Schicksal überlassen hat? Und zwar nachdem die Suchtrupps es aufgegeben hatten, als keiner mehr den Wald nach ihr durchkämmt hat?»
Gryzbowski schüttelte den Kopf. «So langsam hörst du dich an wie Frank», sagte er halb bewundernd. «Der hat sich noch jahrelang immer wieder alle Ermittlungsansätze vorgenommen. Das war bestimmt hart, oder? Wenn ein nettes Mädchen wie du auf diese Weise eine Freundin verliert, in dem Alter?»
Er beugte sich näher zu ihr.
«Ich will dir mal was sagen. Diese Sorte von Straftaten nennt man Gelegenheitsverbrechen. So ein Typ sieht ein Mädchen – vielleicht hat er schon eine Weile nach einem Opfer Ausschau gehalten, oder er sieht sie zufällig, und es macht peng bei ihm, und er greift sie sich, okay? Danach gibt es drei Möglichkeiten: Entweder er bringt sie um – meist nachdem er irgendwas total Durchgeknalltes, Viehisches mit ihr angestellt hat –, oder er hält sie irgendwo versteckt – in einem Keller, womöglich sogar bei sich im Garten in einem Zelt –, oder er verscherbelt sie an Mädchenhändler. Ich sag meiner Tochter immer: Wenn dich wer anspricht, der dir nicht koscher vorkommt, schrei laut ‹Nein!› und renn weg. Hör dir ja nicht an, was er sagen will.» Er schüttelte den Kopf. «Die Kleine hatte keine Chance. Wenn er sie umgebracht hat, wäre es schon denkbar, dass sie wieder im Wald gelandet ist, aber dann hätten wir sie gefunden. Vielleicht nicht sofort, vielleicht auch nach Jahren noch nicht, aber eins sage ich dir, wenn da etwas gewesen wäre, hätte Frank es gefunden.»
«Aber als sie die Straße verbreitert haben», bohrte Celia nach, «was wäre, wenn Frank nicht bedacht hat, dass –?»
Mitch Gryzbowskis Miene ließ sie verstummen.
«Captain DiNado war der beste Polizeibeamte, den zu kennen ich je die Ehre hatte. Lass dir ja von niemandem was anderes einreden …» Er schüttelte den Kopf. «Frank hat sich für die Truppe aufgeopfert», sagte er. «Und damit meine ich
Weitere Kostenlose Bücher