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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myla Goldberg
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Celias Mann – eine Annahme, die keiner von ihnen je richtigstellte oder als Überleitung zu dem Thema nutzte, das niemand anschnitt.
    Warren hielt an einer Ampel. «Der Wagen läuft schön leise», sagte er. «Ist leicht zu handhaben. Besser als manch anderer von uns.»
    Huck begriff nicht gleich, was Warren meinte.
    «Wir können kaum noch etwas für sie tun», fuhr er fort. «Eine komische Beschwerde, ich weiß schon. So soll es schließlich sein, wenn man seine Aufgabe ordentlich erledigt hat. Sie ist eine erwachsene Frau, aber manchmal wäre es doch …» Er schüttelte den Kopf. «Nor und ich sind beide froh, dass sie dich hat, besonders jetzt. Da, hör dir das an. Jazz Messengers. Birdland, 1954. Wie Horace Silver da den Rhythmus hält.»
    Nachdem sie vor dem Restaurant geparkt hatten, ging Warren hinein und kam kurz darauf mit einer Riesentüte und in Begleitung einer jungen Japanerin zurück, die höflich lächelte und nickte, als er nachdrücklich in Hucks Richtung wies. Huck lächelte und nickte höflich zurück und merkte erst dann, dass Warren den Wagen meinte. Im nächsten Moment legte sich der strenge Geruch von Misosuppe über die Ausdünstungen der fabrikneuen Polstersitze.
    Huck bekam die Tüte ausgehändigt, die ungefähr so viel wog wie ein Zwergpudel. Womöglich, argwöhnte er, hatte Warren ihn nur mitgenommen, damit in seinem neuen Wagen nichts verschüttet wurde.
    «Das war eine der Töchter des Besitzers», erläuterte Warren. «Im Restaurant sieht man immer sämtliche Kinder und Enkel mithelfen oder in der Ecke spielen. Ein richtiger Familienbetrieb. Suki hat gesagt, sie schauen sich gerade nach einem neuen Wagen um. Manchmal denke ich mir, ich hätte Autoverkäufer werden sollen.»
    Huck klemmte die Tüte zwischen seinen Füßen ein. Er erzählte aus seinem Lehrerleben und stellte sich Warrens Geschichtsquizfragen. Früher oder später würde Warren wieder zu den Themen Jazz und Autos zurückfinden, doch damit kam Huck klar, seit er begriffen hatte, dass Menschen Warren nervös machten – er mochte sie, aber seine Jovialität überdeckte eine tiefliegende Scheu. Hinter Celias Vorliebe für Geselligkeiten im kleineren Kreis steckte vermutlich die gleiche Grundangst wie bei ihrem Vater, nur in konventionellerer Ausprägung. Dass zwei Menschen sich in Gesellschaft von Daten so wohl fühlten, war demnach eher angeboren als anerzogen. Wenn Celia an einer Tabelle arbeitete, wirkte sie bei aller Konzentration vollkommen entspannt, kamen ihre natürlichen Fähigkeiten bestmöglich zur Anwendung. Dieses Bild bot sie auch, wenn sie Gedichte schrieb, doch das hatte Huck nur einmal erlebt, als sie beide noch studierten und er im Begriff war, sich zu verlieben.
    Wobei es nicht nur das gewesen war. Liebe lässt sich nicht so leicht verorten, aber wenn Huck ehrlich sein wollte, dann war es schon ein Schlüsselmoment gewesen, dieser verstohlene Blick auf Celia, die an ihrem Schreibtisch über ein Blatt Papier gebeugt dasaß, im Tanz mit sich selbst. Sie schrieb gereimte Gedichte, eine Flut von Sestinen und Villanellen in einem Zeitalter des Blankverses. Dann hörte sie damit auf, ließ nach dem Uniabschluss das Dichten sein, so wie andere sich von grünen Haaren oder Bisexualität abwandten. Huck kam erst nach einer Weile zu dem Schluss, dass sie es vollkommen eingestellt hatte und nicht einfach nur dann schrieb, wenn sie allein war. Noch länger brauchte er, um sich einzugestehen, dass Celia äußerlich nichts Ungewöhnliches oder Künstlerisches an sich hatte. Zur Arbeit trug sie farblich aufeinander abgestimmte Ensembles, und abends griff sie unweigerlich zur Zahnseide, selbst wenn sie sich damit aus der wohligen Schläfrigkeit nach einem guten Fick reißen musste. Huck fragte sich, was wohl wäre, wenn sie sich erst jetzt kennenlernen würden – aber er wusste nicht recht, wie es dazu überhaupt kommen sollte. Seine Freunde waren Lehrer und Musiker, ihre Wirtschaftswissenschaftler, Sozialarbeiter und Juristen. Auf einem Venn-Diagramm hätten sie keine gemeinsame Schnittmenge. Stieße Huck heute auf Celias Internetprofil (er war unendlich dankbar, dass seine Junggesellenzeit stattgefunden hatte, ehe dieser Sumpf sich ausbreitete), würde sein Blick vielleicht nur flüchtig bewundernd an ihrem Gesicht hängenbleiben und dann zu näher liegender Beute weiterwandern.
    Kurz vor dem Haus nahm Warren das Gespräch wieder auf, als hätten sie es nie unterbrochen. «Sag mal», erkundigte er sich. «Mit

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