Böse Freundin (German Edition)
Chuzpe , so eine Nummer abzuziehen. Derart glaubhaft zu lügen … und Grace Pearson direkt ins Gesicht. Ganz zu schweigen von der Polizei und Nor und mir. Für so etwas braucht man Übung. Und Cee Cee war ehrlich bis in die Knochen. Meine Güte, das ist sie doch bis heute! Die Aufrichtigkeit in Person!»
Huck hatte sein Talent zum Lügen schon früh entdeckt. Es hatte natürlich klein angefangen, aber Übung hatte er darin nie gebraucht. Als er seine neue Jacke auf dem Spielplatz liegenließ und seine Mutter danach fragte, behauptete er, sie sei ihm in der Schule aus dem Garderobenschrank entwendet worden. Vielleicht war es seine Unschuldsmiene oder sein fester Blick, jedenfalls wurden seine Lügen nie angezweifelt. Die Lügen wurden immer größer, gewagter und häufiger, sodass es ihn manchmal geradezu überraschte, was ihm über die Lippen kam – doch irgendwann war er sich selbst so zuwider, dass er von einem Tag auf den anderen damit aufhörte. Es erschien ihm nicht völlig unwahrscheinlich, dass jemand gleich beim ersten Mal mit einer faustdicken Lüge durchkam – und Ehrlichkeit danach umso erstrebenswerter fand.
«Diese Unterhaltung solltest du eigentlich lieber mit ihr führen», sagte er.
Warren nickte und schaute weiter geradeaus.
«Da hast du natürlich recht», sagte er, «aber du weißt doch, wie es ist. In einer Idealwelt könnten sie und ich sicher über all das reden … aber sie ist eben im Grunde immer noch mein kleines Mädchen. Vielleicht wird es bei euch anders sein, wenn ihr einmal eine Tochter habt, aber für mich … Wenn es um Cee Cee geht, spielt da so manches mit hinein. Die Suchtrupps sind ein Beispiel. Am Tag, nachdem Djuna verschwunden war, haben die Nachbarn sich zusammengetan. Die beste Freundin meiner Tochter, und ich wollte nicht mitgehen. Ich weiß, das klingt furchtbar, aber die Vorstellung, dass am Ende ich es bin, der auf etwas stößt, und ich muss es ihr dann beibringen … muss ihr ins Gesicht sehen –»
Seine Züge erschlafften.
«Aber ich habe dann doch mitgesucht», fuhr er fort. «Alle zusammen haben wir die ganze Straße und das Gebiet dahinter abgesucht und nicht das Geringste gefunden. Nicht einen Schuh. Nicht ein Haarband. Da kannst du vielleicht verstehen, dass ich mich ein bisschen schwertue, Cee Cee zu glauben, wenn sie sagt, sie hätte Djuna im Wald liegen lassen.»
Ohne dass Huck es bemerkt hatte, musste Warren es irgendwann aufgegeben haben, immer im Kreis zu fahren, denn nun hielten sie vor dem Haus. Die steile Zufahrt, wie gemacht für Schlitten und Dreiräder, war das Signal für ein dösendes Kind, entweder aufzuwachen oder zu tun, als sei es noch im Tiefschlaf, damit es hineingetragen wurde.
«So, da wären wir», sagte Warren. «Nimm du doch die Tüte, ja? Ich wette mit dir um fünf Cent, Noreen hat diese quadratischen Teller gedeckt, die sie vor ein paar Monaten im Ausverkauf erstanden hat und die angeblich extra für asiatische Gerichte hergestellt werden.» Er gluckste. «Als ob es eine Rolle spielte, welche Form der Teller hat.»
Er stieg aus und marschierte Richtung Haus. Vor der Tür stutzte er, zog seine Autohandschuhe aus und sah zum Wagen hin. Dann stopfte er sie sich in die Hosentaschen und ging hinein.
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19. Kapitel
Noreen hatte die quadratischen Teller gedeckt und aus Gründen der Authentizität sogar grünen Tee gekocht, den sie aus dampfenden Tassen in winzigen Schlucken zu sich nahmen, um die Wirkung des Koffeins abzumildern. Celia hatte keinen Appetit und ließ automatisch ein Röllchen mit Aal und Gurke unter den Tisch wandern, wo ihre ausgestreckten Finger ins Leere gingen, statt auf einen Hundekopf zu treffen. Sie wusste nicht, wie sie es nennen sollte, dieses Verlangen, nicht bloß an einen anderen Ort zurückzukehren, sondern in eine andere Zeit.
«Was ist denn bei deinem Telefonat herausgekommen, Schätzchen?», wollte Noreen wissen. «Hast du … War es Mrs. Pearson?»
Celia schüttelte den Kopf. Seit sie sich stumm beim Abendessen eingefunden hatte, war Hucks Blick langsam zu dem unerbittlichen Starren geworden, mit dem er quer durch Restaurants unaufmerksame Kellner zu sich zitierte. In Chicago hätte Celia ihm längst Rede und Antwort gestanden oder zumindest Anstalten dazu gemacht, doch die Gepflogenheiten, die sie in ihren zehn gemeinsamen Jahren entwickelt hatten, galten in Celias Elternhaus nicht.
«Du wirkst so aufgewühlt», sagte Noreen sanft, «und ich habe mir die ganze
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