Boese - Horror
sich geht. Wenn sich jemand den Zeh anstößt oder eine Erkältung einfängt, spricht sich das herum. Und wenn in letzter Zeit jemand etwas Ungewöhnliches bemerkt hätte, dann Sie. Habe ich recht?«
Stockley schwieg und kaute.
»Sagen Sie mir nur, was vor sich geht. Was haben Sie gehört?«
Der Blick des Herausgebers war besorgt. »Das Verhältnis zwischen einem Journalisten und seiner Quelle ist heilig«, sagte er schließlich. »Es entspricht der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant, Arzt und Patient, Priester und Beichtendem. Ich könnte lange darum herumreden, aber ich will ehrlich sein. Ja, ich habe einiges Gerede gehört. Nichts Spezielles wie das, was Sie mir erzählt haben ... nichts, was jemand zugeben würde, wenn man ihn danach fragt. Aber auch anderen Leuten ist in letzter Zeit aufgefallen, dass merkwürdige Dinge passieren. Und ich glaube, dass ihnen nach Bernie Rogers' Selbstmord noch mehr auffallen wird. Ich sollte objektiv und unparteiisch bleiben, aber ich werde Ihnen die Wahrheit sagen. Ja, ich glaube, dass hier etwas Merkwürdiges vor sich geht. Und ich glaube, dass alles mit diesem Postboten zu tun hat.«
Doug spürte, wie ihn Erleichterung erfasste. Es war großartig, einen Verbündeten zu haben; es tat unendlich gut, einen unbeteiligten Dritten sagen zu hören, dass man nicht verrückt sei. Zugleich aber machte es alles noch Furcht erregender. Denn wenn das alles stimmte, war der Postbote im günstigsten Falle gefährlich labil und geistesgestört.
Stockley hatte recht. Er, Doug, sollte zur Polizei gehen und alles erzählen.
Der Herausgeber öffnete eine Schublade und holte einen Stapel Post heraus. »Zeitungen bekommen jede Menge Briefe, wie Sie sich vorstellen können. Darunter viel merkwürdige Post. Wir landen auf jeder bekloppten Adressenliste, die man sich vorstellen kann. Nazis wollen, dass wir ihnen kostenlos Öffentlichkeit verschaffen. Kommunisten möchten, dass wir über ihre Sache berichten. Religiöse Fanatiker sind scharf darauf, dass wir den Leuten erklären, wie der Antichrist die Regierung infiltriert hat. Zwei Wochen lang - in den zwei Wochen nach Bob Rondas Tod - haben wir nur positive Post bekommen, genau wie Sie sagten. Die Zahl der Abonnenten ist gestiegen. Es kamen massenweise lobende Briefe. Sogar die chronischen Spinner haben uns nicht mehr belästigt. Das allein war schon merkwürdig genug. Dann, seit ein paar Tagen, haben wir die hier gekriegt.« Er nahm den obersten Brief vom Stapel. »Lesen Sie mal.«
Doug nahm den Brief und überflog ihn. Er beschrieb detailliert die sexuelle Folterung und Verstümmelung einer gewissen Cindy Howell. Er verzog das Gesicht. Die Beschreibung war so grausig und widerwärtig, dass er nicht zu Ende lesen konnte. »Wer ist Cindy Howell?«, fragte er.
»Meine Tochter«, antwortete Stockley.
Doug blickte entsetzt auf.
»Es geht ihr gut. Ihr ist überhaupt nichts passiert. Sie lebt in Chicago. Ich habe sie sofort angerufen. Auch die Polizei in Chicago habe ich verständigt und denen eine Fotokopie des Briefes geschickt. Sie überwachen jetzt das Haus meiner Tochter.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Tochter haben.«
»Weil ich es nie jemandem in der Stadt erzählt habe. Sie stammt aus meiner ersten Ehe, von der übrigens auch niemand etwas weiß.«
»Was glauben Sie, wie der Postbote es herausgekriegt hat?«
»Ich bin mir nicht sicher, dass es der Postbote ist. Schauen Sie sich den Poststempel an. Er ist aus Chicago. Der Brief könnte von Leuten kommen, die ich mir dort zu Feinden gemacht habe, oder von irgendeinem Verrückten, der hinter meiner Tochter her ist. Oder es könnte bloß die harmlose Drohung von irgendeinem Spinner sein. Beachten Sie, dass alles in der Vergangenheit geschrieben ist. Das sind alles Dinge, die schon passiert sein sollen.«
»Aber Sie sagten doch, dass der Postbote ...«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß eigentlich gar nichts mit Sicherheit.« Er hob den Stapel Briefe hoch. »Die sind sich alle ähnlich. Sie stammen aus Städten im ganzen Land und beziehen sich auf Menschen, die ich im Laufe meines Lebens gekannt habe. Sie sind nicht alle so offen sexuell wie dieser, aber sie sind alle gleich ... krank. Diese Briefe könnten alle Teil eines Versuchs sein, mich zu schikanieren und fertig zu machen, auch wenn ich kein Motiv dafür sehe. Es könnte aber auch ein unglaublicher, unwahrscheinlicher Zufall sein. Ich neige dazu, Ihnen bei dem Postboten zu glauben, weil ich in meiner Post dasselbe
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