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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Karten: billiges weißes Papier, grüne Schrift:
    Andrew Coburg
Rechtsanwalt
Humanitäre Rechtshilfe
1912 Lincoln Avenue
Venice, Kalifornien
    »Humanitäre Rechtshilfe... hm.«
    »Ich glaube, es ist eins dieser Ladenbüros.«
    »Danke«, sagte ich und steckte die Karte weg. »Ich werde das an Detective Sturgis weitergeben.«
    »Es freut mich, dass ich mit Ihnen reden konnte. Leider kann ich nicht mehr für Sie tun.«
    »Das macht nichts. Noch mal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Meinen Sie, es hat einen Zweck, mit jemand anderem hier zu reden?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Und die Frau, die Hewitt als Geisel genommen hat? Hatte er einen bestimmten Grund, gerade sie zu nehmen?«
    »Sie meinen, ob sie ihn gekannt hat?«
    »Genau.«
    »Nein. Es war einfach Pech. Sie saß zufällig an einem Schreibtisch in der Halle, als er vorbeilief.«
    Sie brachte mich zur Tür und betrachtete die Leute, die einer nach dem anderen aus dem Zimmer des Psychiaters kamen.
    »Kann man unter solchen Umständen einen Kranken wirklich kennen?«, fragte sie. »Kann man überhaupt jemanden kennen?«

12
    Ich beschloss, zu Coburgs Büro zu fahren und an sein humanitäres Gewissen zu appellieren.
    Es stimmte, die Praxis war in einem ehemaligen Laden, einer von dreien in einem senffarbenen alten Flachbau. Das Schaufenster war von innen mit zerknitterter Alufolie überklebt. Über dem Eingang hing eine amerikanische Flagge. Auf einem der Streifen prangte die Inschrift: »Kenne deine Rechte.«
    Als ich die Tür öffnete, ging eine Klingel, doch niemand empfing mich. Ich stand vor einer Pressspanwand mit einem schwarzen Pfeil, der nach links zeigte, und handgeschriebenen Schildern: »Willkommen!« - »Bienvenidos!«
    Hinter der Wand herrschte ziemlicher Lärm - Stimmen, Telefonklingeln und Schreibmaschinengeklapper. Ich folgte dem Pfeil und fand mich in einem langen, schmalen Raum mit acht oder neun zusammengewürfelten Schreibtischen, jeweils mit einem alten schwarzen Telefon und einer Schreibmaschine. Zwischen den Tischen standen u-förmige Metallgestelle mit weißen Vorhängen -Trennwände im Krankenhausstil. Manche der Vorhänge waren zugezogen, andere standen offen. Hinter den Schreibtischen saßen junge Leute, die ins Telefon oder mit Klienten sprachen, die fast alle schwarz oder Hispanos waren. Manche hatten ihre Kinder mitgebracht.
    Am vordersten Schreibtisch saß ein dunkelhaariger Mann mit einem spitzen Gesicht. Er hatte den Telefonhörer unters Kinn geklemmt, schien aber weder zu sprechen noch zuzuhören. Sein Blick schweifte in meine Richtung.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich möchte zu Andrew Coburg.«
    »Der ist da hinten.« Er machte eine undeutliche Kopfbewegung. »Ich glaube, er ist gerade in einer Besprechung.«
    »Welcher Schreibtisch?«
    Er legte den Hörer auf, drehte sich auf seinem Stuhl und zeigte auf eine Stelle in der Mitte des Raumes. Der Vorhang war zu, doch unter dem Rand waren ein Paar schmutzige Leinenschuhe und ein Stück haariges Bein zu sehen.
    »Kann ich hier warten?«
    »Sicher. Sind Sie ein Anwalt?«
    »Nein.«
    »Bitte, warten Sie nur.« Er nahm den Hörer wieder auf und wählte bedächtig eine Nummer.
    Ich lehnte an der Holzwand und schaute mir die Poster an. Auf einem war unter der Überschrift »Das System ist krank« ein gerupfter Adler auf Krücken abgebildet. Ein anderes war in Spanisch und verkündete etwas von immigración und liberación.
    Schließlich öffnete sich der Vorhang vor Andrew Coburgs Abteil. Ein ausgemergelter Mann in einem verdreckten Zopfpullover und abgeschnittener Hose erschien. Er hatte einen Bart und wirres Haar. Mein Magen krampfte sich zusammen, weil er Hewitt so ähnlich sah, dass er sein Bruder hätte sein können, doch bald wurde mir klar, dass es die Armut und die Verstörtheit waren, die sie so ähnlich machten.
    Er gab Coburg die Hand und verabschiedete sich. Seine Augen waren halb geschlossen. Als er an mir vorbeiging, wich ich unwillkürlich vor dem Gestank zurück, den er verströmte.
    Coburg wischte sich die Hand an seiner Hose ab, gähnte und streckte sich. Er war Anfang dreißig, hatte kupferrotes Haar, ein weiches, feines Gesicht und rosige Wangen.
    Als ich mich einfach vor seinem Schreibtisch niederließ, hob er die Augenbrauen. Sonst nichts, kein Anzeichen von Ärger. Offenbar war er es gewöhnt, dass Leute einfach hereinmarschierten.
    »Tag, was kann ich für Sie tun?«, fragte er mit freundlicher Stimme. Er trug eine ungewöhnliche

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