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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Fenster ins Zimmer glitt. Angst durchzuckte mich, sauer und ranzig, und Paul spürte es.
    »Ihre Seele ist tot, Madison«, sagte der Schutzengel zu mir und in seiner Stimme lag kein Vorwurf. »Sie ist vor drei Jahren gestorben, aber ich bin bei ihr geblieben, um ihr die Schwarzflügel vom Leib zu halten. Ich hatte gehofft, sie würde sich erholen und wieder zum Leben erwachen, aber es war vergeblich. Sie hat ihre Seele nicht genährt und so ist sie unwiederbringlich verkümmert.«
    Nein!, schrie ich, als der erste Schwarzflügel auf ihr landete.
    Tammy schrie. Ihr Körper war tot, aber irgendetwas in ihr schien noch bei Bewusstsein zu sein. Weiß glühendes Eis durchzuckte ihre Gedanken, Pfefferminz und Feuer. Ich versuchte, mich zurückzuziehen, aber ich war in dieser Hölle gefangen und es gab kein Entrinnen. Die Schwarzflügel hatten sie gefunden und fraßen ihre Erinnerungen, während wir dabei zusahen, ohne uns bewegen oder sie aufhalten zu können. Der schleimig-schwarze Schatten zerrte Erinnerungen aus Tammys Bewusstsein wie eine Hyäne, die ihre Beute zerreißt.
    Und wie Hyänen wurden es immer mehr. Einer nach dem anderen drängten sie sich in den Raum und stürzten sich auf Tammy, die sich in Gedanken krümmte und schrie. Doch sie konnte ihnen nicht entkommen, konnte sich nicht wehren, denn ihr Körper war schlaff und gehorchte ihr nicht mehr.
    Halt!, flehte ich und spürte, wie mir echte Tränen über meine echten Wangen strömten, irgendwo an einem anderen Ort im Zeitgewebe auf einem dunklen Friedhof. Die Erinnerung daran, wie die Schwarzflügel mir meine eigenen Gedanken entrissen hatten, war zurückgekehrt und ich spürte wieder den schmerzenden Verlust, die Angst, dass nichts von mir übrig bleiben würde. Sie wurde zerstückelt und sie bekam alles mit. So endet es?, dachte ich voller Grauen. So enden verlorene Seelen? Kein Wunder, dass die schwarzen Engel sie lieber töten.
    Warum hilft mir denn niemand?, schrie Tammy, deren Körper friedlich dalag, während ihr Bewusstsein Qualen litt und mit jedem Fetzen ein bisschen weiter verschwand. Sie löste sich auf. Ich konnte nichts tun und ich weinte, heftige Schluchzer schüttelten mich, während ich versuchte, Tammy beisammenzuhalten, doch es war vergeblich.
    Nicht so!, schrie ich und scheuchte einen Schwarzflügel weg, als das Bild eines sonnendurchfluteten Autos aus Tammys Erinnerungen vor mir aufstieg. Ich hörte Lachen, ein albernes Lied. Nicht viel, aber ich spürte, dass sie glücklich war. Die sollten sie nicht bekommen und ich schnappte mir die Erinnerung und wachte darüber.
    Der Schwarzflügel, dem ich sie weggenommen hatte, bäumte sich auf und ich schrie, als er sie mir wieder zu entreißen versuchte. Er war hungrig und auf den Geschmack gekommen. Ich schob ihm eine Erinnerung zu, die genauso wertvoll, aber meine eigene war. Der Schwarzflügel ließ von mir ab, denn er erkannte den Unterschied nicht. Ich krümmte mich um Tammys schöne Erinnerung zusammen und weinte und wartete darauf, dass das alles endlich vorbei sein würde.
    Nach und nach ebbten Tammys Schmerz und die Qualen ab, als immer weniger von ihr blieb und bald nur noch Paul und ich übrig waren. Einer nach dem anderen erhoben sich die Schwarzflügel wieder, geschwollen und deformiert, und taumelten zum Fenster, wo sie wie Wespen ein paarmal gegen die Scheibe prallten, bevor sie die Öffnung fanden. Meine Gedanken waren ein einziges Chaos, als ich Paul zu erreichen versuchte. Es war, als wäre eine gigantische Flutwelle aus Gift über uns hinweggebrandet, und wir waren die einzigen Überlebenden. Der Schutzengel war noch immer da, aber seine Tränen versiegten, als der Mensch, über den er hatte wachen sollen - in der spärlichen Hoffnung, dass seine Seele sich wieder erholen würde -, verschwand, als hätte er niemals existiert. Hoffnung, das war alles, was sich die weißen Todesengel mit ihren Schutzengeln erkauften, die magere Hoffnung, dass die Seelen wieder aufleben würden. Es war die Hoffnung, die bei Barnabas und seiner schönen Sarah ihren Anfang genommen hatte, und diese Ironie erfüllte mich mit Schmerz.
    »Ist es schon passiert?«, fragte mich der Schutzengel und seine Stimme klang traurig. »Ich weiß es nicht. Ist das hier schon passiert? Passiert es in diesem Augenblick? Du bist noch nie hier gewesen, wenn es zu Ende ging.«
    Mein ganzer Körper fühlte sich wund an, und obwohl ich wusste, dass ich in Wirklichkeit auf einem Friedhof saß, wusste ich, dass ich

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