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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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mit hineinziehst«, sagte sie milde und verabschiedete sich unter einem Vorwand.
    Ich wählte die Nummern der anderen Groupies, erreichte jedoch keinen, fand das mitten am hellichten Tag aber nicht verwunderlich und ließ mich, fast erleichtert darüber, daß ich mit niemandem zu sprechen brauchte, auf meine Matratze fallen. Ich war so müde, wollte einerseits abtauchen, andererseits weitergrübeln und dich irgendwann kommen hören, ich meine zur Tür herein; einen Schlüssel hattest du ja längst. Die Frage, was wohl schlimmer wäre, wach bleiben und denken oder schlafen und träumen müssen, war die im Kreise laufende Katze, die ihren Schwanz jagte und mich schließlich in die Twilight-Zone beförderte.

[Menü]
XII
    Wann warst du zurückgekommen? Hatte Marlene mit dir sprechen können und dich später bis zu meiner Haustür begleitet? Wovon war ich an jenem Abend noch einmal wach geworden? Davon, daß du im Zimmer das Licht eingeschaltet hattest? Wahrscheinlicher davon, daß sich auf meiner Bettdecke etwas bewegte, leichter und schneller und insgesamt ganz anders als eine Menschenhand. Noch ehe ich es erblickte, wußte ich, das, was da auf mir herumspazierte, konnten nicht deine Finger sein. Doch erst als für Sekunden nichts mehr tapste und ich, selbst durch die Decke hindurch, ein geringes, aber dennoch irgendwie körperliches Gewicht auf meiner Brust verspürte und dann ein seltsames, von etwas sehr Filigranem verursachtes Kitzeln im Mundwinkel, öffnete ich die Augen und erkannte, weil es so nahe war, nicht gleich, daß mich ein Tierchen beschnupperte. Ich schüttelte den Kopf, nicht vor Ekel, nur erstaunt; ich glaubte ja nicht zu träumen, wer träumt schon, er würde gekitzelt, da sprang das Tierchen, als habe es sich erschrocken, mit einem Satz zur Seite, und nun sah ich, was es war: Eine Ratte, eine kleine oder noch sehr junge schwarze Ratte mit glänzenden schwarzen Augen und langen, ein wenig zitternden Schnurrbarthaaren an der weißen Schnauze und weißen Pfoten und einem weißen Fleck am Bauch, der mir auch nicht lange verborgen blieb, denn sie machte Männchen, hob witternd die Nase – und eroberte mein Herz, sozusagen aus dem Stand.
    Du griffst dir die Ratte, die sich das offenbar gerne gefallen ließ. Mein Blick folgte ihr, bis sie auf deiner Schulter saß und aus ihren Knopfaugen zu mir hinunterblickte, wie du.
    »Das ist eine skandinavische Weißfußratte, kein gewöhnlicher Kanalfreak. Ich habe sie in der Zoohandlung am Mierendorffplatz gekauft, sie heißt El-Friede«, sagtest du – seltsam väterlich, »El-Friede wie El-Hakim, arabische Schreibweise, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Mir fiel wieder ein, wie du heute morgen in der Pose eines Matadors vor der Duschkabine auf mich gewartet, das rote Badetuch geschwenkt und »Friede« gerufen hattest, und ich knurrte: Gut, dann werde ich sie Friede nennen. Ich hab’s nicht so mit dem Orientalischen, und Friede ist eine hübsche Kurzform von Elfriede oder meinetwegen auch El-Friede, und die Schreibweise kann mich mal; ich muß ihr ja wohl keine Briefe schicken.
    »Warum nicht?« sagtest du. »Die wird sie sicher alle lesen und beantworten, klug wie sie aussieht.«
    Ich wunderte mich, daß der Trick mit der Ratte (denn für etwas anderes als den neuesten deiner vielen Tricks hielt ich diesen Zirkus nicht) so gut funktionierte. Das putzige, zutrauliche Tierchen lenkte mich tatsächlich ab, dämpfte irgendwie den Aufruhr in meinem Gemüt. Gib sie mal her, sagte ich.
    »Aber bitte, mein Baby«, sagtest du erfreut und reichtest mir Friede, mit beiden Händen, also wirklich wie ein ganz kleines Baby.
    Ihr Fell war weich, ihr Herz schlug schnell, und sie roch so gut, wie ich es von einer Ratte nicht erwartethatte: nach Wollpullover, frisch aus dem Wäschetrockner; als ich ihren Duft tiefer inhalierte, auch ein wenig nach Patschuli und Pfefferminze.
    Die nächsten Tage verbrachten wir, wenn es nicht gerade nötig war, etwas überzuziehen und zur Triade zu fahren, auf unseren Matratzen, ziemlich einsilbig und einander die Füße zustreckend, und nur zwei, drei Vormittagsstunden lang, in denen ich zaghaft versuchte, dir Fragen zu stellen, auch wieder Kopf an Kopf.
    Friede, die den Kohlenkasten des alten Beistellherds zu ihrer Haupthöhle erkoren und mit dem von mir bereitgelegten Heu ausgepolstert hatte, konnte sich frei in der ganzen Bude bewegen, kam aber gerne zu dir oder zu mir, besonders am Abend. Und manchmal durfte sie bleiben, selbst über

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