Böser Bruder, toter Bruder
Knochen sich förmlich durch die Haut bohrten. Ihr blondes Haar war straff nach hinten frisiert, sodass ihre scharfen, kantigen Züge deutlich hervortraten.
»Du bist nicht Mr s Annabel Jackson«, bemerkte Dr . Zeelander statt einer Begrüßung und blickte mich mit ihren katzenartigen grünen Augen an.
»Nein, bin ich nicht, tut mir leid«, sagte ich entschuldigend. »Mr s Jackson ist meine Mutter. Sie konnte nicht komme n …«
Augenblicklich wirbelte Dr . Zeelander herum und schloss eine Seite auf ihrem Computer. Wahrscheinlich Mums Krankenakte, die wir nicht sehen sollten.
»Darf ich fragen, was du dann hier zu suchen hast?«, erwiderte Dr . Zeelander kalt. »Der Termin wurde mit deiner Mutter vereinbart. Hast du der Sprechstundenhilfe nicht gesagt, dass deine Mutter nicht mitgekommen ist?«
Weil mich diese Verhörsituation nervös machte, sah ich zu Jamie hinüber, aber der schüttelte nur leicht den Kopf.
Trotzdem platzte ich heraus: »Äh m … wir haben ihr gesagt, dass unsere Mum noch draußen ist und telefoniert.« Ich wagte nicht, Jamie anzusehen, aber ich konnte seinen Ärger spüren. »Tut mir leid.«
»Hör auf, dich zu entschuldigen, Mia!«, fauchte Jamie gereizt. Er richtete seinen Blick auf Dr . Zeelander, die total schockiert wirkte. »Erklär ihr einfach, warum wir hie r …«
»Das reicht!«, fuhr ihm Dr . Zeelander ins Wort. Sie stand auf, trat zur Tür und öffnete sie. »Wenn Mr s Jackson einen Arzt braucht, muss sie selbst herkommen. Ich werde nur mit ihr persönlich über ihre Krankheit sprechen.«
»Abe r …«, begann Jamie.
»Geh bitte. Sofort.«
Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Dr . Zeelanders Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und ihre Hände zitterten leicht. Ich glaube nicht, dass es an uns lag. Wie auch? Aber ich hatte das seltsame Gefühl, dass sie es geradezu genoss, uns vor die Tür zu setzen. Dass sie dieses Gefühl der Macht dringend brauchte.
Ich sah zu Jamie hinüber. Sein Gesicht war kreideweiß und versteinert, während seine Augen wie Kohlen glühten. Er war so wütend, dass er beinah Funken sprühte.
Plötzlich schoss sein Arm nach vorne und fegte den Ablagekorb, in dem sich zahlreiche Dokumente stapelten, vom Schreibtisch. Er fiel krachend zu Boden und die Papiere flatterten überall herum.
Jamie packte meine Hand und zerrte mich zur Tür. Dort blieb er direkt vor Dr . Zeelander stehen. Er war fast so groß wie sie, und ihre Blicke begegneten sich. Dr . Zeelanders Augen waren weit aufgerissenen, ungläubig, Jamies kal t – eiskalt und voller Zorn. Und dann zog er mich aus dem Behandlungszimmer.
Dr . Zeelander wirkte wie festgefroren und machte keine Anstalten, uns aufzuhalten. Ich blickte zurück, als wir nach draußen traten, und sah, dass sie mit offenem Mund dastand und am ganzen Körper bebte. Ich konnte sie verstehen. Jamie hatte mich mit seinem blanken Zorn auch zu Tode erschreckt.
»So was hast du noch nie gemacht«, sagte ich leise, während wir den Parkplatz überquerten. Jamie war voller Energie. Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten. »Was ist, wenn Dr . Zeelander es jemande m …?«
»Halt die Klappe, Mia!«, knurrte Jamie. Er kochte förmlich vor Wut. Diese Seite von sich hatte er noch nie gezeigt, nicht einmal mir. »Die wird nichts sagen. Und selbst wen n – wen interessiert’s? Außer dir gab es keine Zeugen. Diese hochnäsige Schlampe hat es verdient. Das und noch viel mehr.«
Als ich am nächsten Tag in den kleinen Supermarkt am Ende unserer Straße ging, sprang mir eine Schlagzeile der Lokalzeitung ins Auge: Arzt-BMW demolier t – Polizei sucht nach Augenzeugen. Seit e 4 .
Es war nicht die Titelstory, es war nicht einmal eine fette Überschrift, aber ich hatte sie sofort entdeckt. Als hätte ich damit gerechnet.
Wie in einem Traum sah ich meine zitternde Hand nach der Zeitung greifen und die vierte Seite aufschlagen.
ARZT-BMW DEMOLIERT– EIN AKT DER RACHE?
Die Polizei sucht nach Augenzeugen
Gestern Nachmittag, schätzungsweise zwischen 18 und 2 0 Uhr, wurde der Wagen einer ortsansässigen Ärztin von Vandalen demoliert. Dr . Caroline Zeelander entdeckte den Schaden an ihrem neuen silberfarbenen 5er BMW beim Verlassen ihrer Praxis. Ein oder mehrere unbekannte Täter hatten die Reifen aufgeschlitzt, die Scheinwerfer eingeschlagen und eine Dose roter Farbe über das gesamte Fahrzeug gegossen.
»Das war mutwillige Zerstörung«, sagte die Polizeibeamtin Rehana Patel, die zuerst am
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