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Böser kleiner Junge (German Edition)

Böser kleiner Junge (German Edition)

Titel: Böser kleiner Junge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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paar Mädels vor dem Fernseher, und eine sagte, sie hätte Vicky vor einer Weile in den Keller gehen sehen. Wahrscheinlich um Wäsche zu waschen.
    Sie hatte ein paar Bettlaken in der Hand, sagte das Mädchen.
    Das beunruhigte Carla, obwohl sie es nicht wagte, den Gedanken zu Ende zu denken. Sie ging nach unten, aber im Wäschekeller war niemand, und keine der Waschmaschinen lief. Dann hörte sie Geräusche aus dem Lagerraum gleich daneben, in dem die Bewohnerinnen von Fudgy Acres ihre Koffer unterbrachten. Als sie hineinging, sah sie Vicky mit dem Rücken zu ihr auf einem kleinen Kofferstapel stehen. Sie hatte zwei Bettlaken zu einem Seil zusammengeknotet. Ein Ende hatte sie zu einer Schlinge gebunden und sich um den Hals gelegt. Das andere war an einem frei liegenden Rohr an der Decke befestigt.
    Das Komische war, sagte Carla, dass sie nur auf drei Koffern stand und die Bettlaken nicht mal gespannt waren. Wäre es ihr ernst gewesen, hätte sie nur ein einziges Laken benutzt und wäre auf einen hohen Schrankkoffer geklettert. Es war, wie man beim Theater so schön sagt, eine Generalprobe.
    Das kannst du nicht wissen, sagte ich. Du weißt nicht, wie viele Tabletten sie genommen hat und wie verwirrt sie war.
    Ich weiß, was ich gesehen habe, sagte Carla. Selbst wenn sie von den Koffern heruntergestiegen wäre und sich auf den Boden gestellt hätte, wäre das Seil nicht gespannt gewesen. Aber so weit habe ich in diesem Augenblick nicht gedacht. Ich war zu schockiert. Ich habe einfach nur ihren Namen gerufen.
    Der laute Schrei in ihrem Rücken erschreckte Vicky, und anstatt von den Koffern herunterzusteigen, fuhr sie zusammen und fiel vornüber. Die Koffer rutschten hinter ihr über den Boden. Sie wäre bäuchlings auf dem Beton gelandet, sagte Carla, doch so viel Spiel hatte das Bettlakenseil dann doch nicht. Sie könnte noch am Leben sein, wenn sich der Knoten zwischen den beiden Laken gelöst hätte. Hat er aber nicht. Ihr Körpergewicht zog die Schlinge zusammen und riss ihren Kopf heftig nach oben.
    Ich habe das Knacken gehört, mit dem ihr Genick brach, sagte Carla. Es war laut. Und es war meine Schuld.
    Danach vergoss sie bittere Tränen.
    Ich begleitete sie vom Café bis zu der Bushaltestelle an der Ecke. Dort sagte ich ihr immer wieder, dass es nicht ihre Schuld sei, bis sie endlich mit dem Weinen aufhörte. Sie lächelte sogar halbherzig.
    George, sagte sie, du kannst ziemlich überzeugend sein.
    Ich verriet ihr nicht, dass ich nur deshalb so überzeugend sein konnte, weil ich mir in diesem Punkt absolut sicher war. Doch das hätte sie mir sowieso nicht geglaubt.
    5
    »Der böse kleine Junge war hinter den Menschen her, die mir nahe waren«, sagte Hallas.
    Bradley nickte. Ganz offensichtlich glaubte Hallas, was er da erzählte. Hätte er diese Geschichte vor Gericht vorgetragen, wäre er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, anstatt im Nadelpalast zu enden. Die Geschworenen hätten ihm höchstwahrscheinlich kein Wort geglaubt, aber immerhin ein Argument gehabt, die Todesstrafe ein für alle Mal vom Tisch zu wischen. Jetzt war es vermutlich zu spät. Allein aufgrund der Geschichte von dem bösen kleinen Jungen einen Antrag auf Aussetzung einzureichen, hätte zu diesem Zeitpunkt nur den Anschein erweckt, als würden sie nach dem letzten Strohhalm greifen. Man musste das alles schon aus Hallas’ Mund hören und diese unerschütterliche Aufrichtigkeit in seinem Gesicht sehen.
    Der Verurteilte blickte ihn durch das leicht milchige Plexiglas an und lächelte fast unmerklich. »Der Junge war nicht nur böse; er war auch gierig. Er wollte immer gleich einen Doppelpack. Einer starb, der andere sollte schön langsam im Saft der Schuldgefühle schmoren.«
    »Zumindest Carla scheinen Sie von Ihrer Geschichte überzeugt zu haben«, sagte Bradley. »Immerhin hat sie Sie geheiratet.«
    »Na ja, so ganz habe ich sie nicht davon überzeugen können, und sie hat auch nie richtig an den bösen kleinen Jungen geglaubt. Sonst wäre sie zur Verhandlung gekommen, und wir wären immer noch verheiratet.« Er starrte Bradley mit ausdruckslosem Blick durch die Scheibe hindurch an. »Sonst hätte sie sich gefreut, dass ich ihn umgebracht habe.«
    Der Wärter in der Ecke – McGregor – sah auf die Uhr, nahm die Ohrhörer heraus und erhob sich. »Ich will Sie ja nicht drängen, Mr. Bradley, aber es ist schon halb zwölf, und Ihr Klient muss demnächst zum Mittagsappell in seine Zelle.«
    »Sie sehen doch, dass er da ist«,

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