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Böser kleiner Junge (German Edition)

Böser kleiner Junge (German Edition)

Titel: Böser kleiner Junge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gehweg. Das ist für Vicky, sagte ich und jagte ihm eine weitere Kugel in den Rücken. Nummer zwei. Und das ist für meinen Dad und Mama Nonie, rief ich und schoss ihm in beide Kniekehlen. Genau dorthin, wo die weiten, grauen Shorts endeten. Nummer drei und vier.
    Mittlerweile schrien die Umstehenden wild durcheinander. Haltet ihn auf, rief ein Mann. Auf ihn! Aber niemand traute sich.
    Der böse kleine Junge rollte sich herum und schaute mich an. Als ich sein Gesicht erblickte, hätte ich es mir fast anders überlegt. Er sah nicht mehr wie ein sieben- oder achtjähriger Junge aus. Er war verwirrt und litt Schmerzen und konnte nicht älter als fünf sein. Er hatte die Mütze verloren. Sie lag neben ihm. Einer der beiden Plastikpropellerflügel war abgeknickt. Mein Gott, dachte ich. Ich habe auf ein schuldloses Kind geschossen. Es liegt tödlich verwundet zu meinen Füßen.
    Ja, fast hätte er mich überzeugt. Es war eine exzellente Vorstellung, Mr. Bradley. Oscarverdächtig. Doch dann bröckelte die Fassade. Er konnte sein Gesicht noch so vor Schmerzen verzerren, seine Augen konnte er nicht ändern. Dieses Ding war nach wie vor in seinen Augen. Du kannst mich nicht aufhalten, sagten diese Augen. Du wirst mich nicht aufhalten, nicht ehe ich mit dir fertig bin, und ich bin noch lange nicht mit dir fertig.
    Jemand muss ihm die Waffe abnehmen, rief eine Frau. Er bringt das Kind ja um!
    Ein großer Kerl lief auf mich zu – ich glaube, er saß auch im Zeugenstand –, und ich richtete die Waffe auf ihn. Er hob die Hände und trat schnell zurück.
    Ich drehte mich wieder zu dem bösen kleinen Jungen um und schoss ihm in die Brust. Das ist für das Baby, sagte ich. Nummer fünf. Mittlerweile floss ihm das Blut aus dem Mund das Kinn hinunter. Der .45er war ein altmodischer Sechsschüsser, ich hatte also noch eine Kugel übrig. Ich ließ mich mitten in der Blutpfütze neben ihm auf ein Knie fallen. Sein Blut war rot. Dabei hätte es schwarz sein müssen. Wie das Zeug, das aus einem giftigen Insekt spritzt, wenn man es erschlägt. Ich richtete den Lauf des Revolvers direkt zwischen seine Augen.
    Und das ist für mich, sagte ich. Geh zurück in die Hölle, aus der du gekrochen bist, du kleiner Scheißer. Ich drückte ab, und das war Nummer sechs. Ganz kurz davor färbten sich seine grünen Augen pechschwarz. Das war das Ding, verstehen Sie?
    Ich bin noch nicht fertig mit dir, sagte das Ding in seinen Augen. Erst wenn du dein Leben aushauchst. Vielleicht noch nicht mal dann. Vielleicht warte ich auf der anderen Seite auf dich.
    Einer der Füße zuckte noch einmal und regte sich dann nicht mehr. Der Kopf kippte seitlich weg. Ich legte den Revolver neben die Leiche und hob die Hände. Noch bevor ich aufstehen konnte, wurde ich von mehreren Männern gepackt. Einer rammte mir das Knie in den Schritt, ein anderer schlug mir ins Gesicht. Weitere Passanten kamen hinzu, unter anderem auch die stämmige Frau mit dem blondierten Haar. Sie hat mindestens zwei saftige Treffer gelandet. Das hat sie bei der Verhandlung nicht zu Protokoll gegeben, stimmt’s?
    Da kann ich ihr keinen Vorwurf machen, Mr. Bradley. Keinem von ihnen. Sie haben an jenem Tag nur einen kleinen Jungen auf dem Asphalt liegen sehen, entstellt von so vielen Schusswunden, dass ihn selbst seine Mutter nicht wiedererkannt hätte.
    Sofern er überhaupt eine gehabt hat.
    7
    McGregor führte Bradleys Klienten zum Mittagsappell in die Tiefen des Nadelpalasts, versprach jedoch, ihn bald zurückzubringen.
    »Ich kann Ihnen eine Suppe und ein Sandwich bringen, wenn Sie möchten«, bot McGregor dem Anwalt an. »Sie haben sicher Hunger.«
    Bradley hatte keinen Hunger. Nicht nach dieser Geschichte.
    Er wartete auf seiner Seite der Plexiglasscheibe, die Hände über dem Notizblock gefaltet, und dachte über das Zerstören von Leben nach. Von den beiden Fällen, mit denen er hier zu tun hatte, war Hallas’ Schicksal leichter zu akzeptieren, schließlich war der Mann eindeutig verrückt. Bradley war sich sicher: Hätte Hallas den Mut gehabt, diese Geschichte auf der Anklagebank vorzutragen – im gleichen nüchternen Ton, als wäre jeder Zweifel ausgeschlossen –, würde er nun in einer der beiden Hochsicherheitspsychiatrien des Bundesstaats sitzen und nicht darauf warten, nacheinander Natriumthiopental, Pacuroniumbromid und Kaliumchlorid injiziert zu bekommen. Den »Goodnight, Irene«, wie die Insassen des Nadelpalasts jenen tödlichen Cocktail bezeichneten.
    Hallas, der

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