Boeser Traum
baldigen Internatsbesuch zu lenken. Er möchte wissen, wie die Mädchen damit zurechtkommen, denn er kann sich vorstellen, wie schwer das für die Freundinnen sein muss.
»Wo ist das Internat denn überhaupt?«
»Irgendwo in der Nähe von Paris«, antwortet Charlotta knapp und nimmt einen Schluck Cola.
»Wow. Kann Emilia dich da mal besuchen? Ist das erlaubt? Könnte sie bei dir schlafen?«
»Keine Ahnung.« Charlotta zuckt die Achseln.
Michael Engels wundert sich nur. Wieso haben die Mädchen das nicht längst in Erfahrung gebracht?
»Wie oft kommst du denn nach Hause? Nur in den Ferien?«, will er weiter wissen. Er kann nicht verstehen, wie wenig sich die Freundinnen für das Thema interessieren.
»In den Ferien bestimmt«, meint Charlotta.
»Papa, jetzt hör doch mal auf mit dieser Fragerei.« Emilia ist sichtlich genervt. Sie schnappt sich ein paar Klamotten und verschwindet im Bad. Er schaut ihr hinterher. Irgendwie kann er sie ja auch verstehen. Sie wollen die Sache mit der Trennung einfach ausblenden. Sie tun einfach so, als würde nach den Ferien ein ganz normales Schuljahr beginnen. Was sollen sie auch sonst machen? Offenbar ist die Entscheidung gefallen. Unabdinglich. Sie werden sich fügen müssen. Doch bis es so weit ist, verdrängen sie das einfach.
Er wendet sich nach Charlotta um, die mit versteinertem Gesicht immer noch auf dem Bett sitzt. »Vielleicht habt ihr Lust auf eine Rheinfahrt. Danach könnten wir noch zu dem neuen Spanier, von dem Dagmar mir erzählt hat. Wir könnten uns durch die ganze Tapaskarte essen. Wie klingt das?«
Charlotta sieht ihn an und irgendwie durch ihn hindurch. Sie spricht wie auswendig gelernt. »Ich habe irgendwie so einen blöden Magenvirus. Da wären Tapas jetzt nicht so gut. Vielleicht hat Sophie ja Zeit«, schlägt sie vor und Michael Engels fühlt sich, als habe er gerade einen ziemlich heftigen Korb bekommen.
Emilia, die gerade aus dem Bad kommt, hat das Ende des Gesprächs mitbekommen. Was soll das denn jetzt? Hat Charlotta wirklich einen Virus? Erst, als ihr Vater das Zimmer verlassen hat, wird ihr klar, was die Freundin meinte. Schnell schlieÃt sie die Tür hinter sich.
»Hast du schon diese Abführtabletten genommen?«, fragt Emilia leise.
»Fünf Stück. Aber so richtig viel passiert nicht.«
»Ich glaube, dass Zäpfchen mehr bringen. Meine Oma hatte immer welche.«
»Alles klar. Dann stürme ich gleich noch mal eine Apotheke. Das muss alles noch raus«, findet Charlotta und klopft auf ihren fast nicht existenten Bauch. »Hast du Ina erreicht wegen des Shirts?«, erkundigt sich Charlotta.
»Nein. Immer noch nicht. Ich versuche es gleich noch mal. Emilia schnappt sich ihr Handy.
»Gott sei Dank«, meldet sie sich, als Ina nach häufigem Klingeln endlich rangeht.
Ina lacht. »Gott sei Dank?«
»Ich versuche schon seit gestern, dich zu erreichen. Was war denn los?«
»Handy-Entzug. Meine Eltern hatten sich offenbar mein Zeugnis etwas anders vorgestellt. Aber jetzt habe ich es wieder. Wie du sagst: Gott sei Dank.«
»Ina, du müsstest mir einen klitzekleinen Gefallen tun. Du bist doch heute in der City, oder?«, fragt Emilia hastig. Sie weiÃ, dass die Mitschülerin jeden Samstag shoppen geht.
»Klar. Warum?«
»Du hast dir doch bei H&M dieses Sternen-Top gekauft. Könntest du mir auch so eins mitbringen. In S?«
»Klar. Aber warum machst du das nicht selber?«
»Meine Ma spinnt zurzeit wieder rum, dass ich zu viel Kohle für Klamotten ausgeben würde. Wenn ich heute wieder in die City fahre, kriegt die die Krise.«
»Aber sie wird doch raffen, dass du ein neues Top hast?«
»Ich sage einfach, ich habe es mir von dir geliehen«, lacht Emilia.
»Okay. Dann komm doch am Nachmittag vorbei und hol dir deine Leihgabe«, schlägt Ina vor.
»Mach ich. Ach ja, und kannst du bitte an den Bon denken? Falls S nicht passt. Können ja nicht alle so schlank sein wie du«, schleimt Emilia noch ein bisschen.
Ina lacht erfreut und Emilia drückt sie weg.
Damit wird sie das perfekte Alibi haben. Wenn Charlotta erst mal verschwunden ist, wird die Polizei auch mit ihr reden. SchlieÃlich sind sie die Unzertrennlichen. Das Rad von Charlotta wird irgendwo an der LandstraÃe gefunden werden, und Emilia wird behaupten, sie sei am Samstag ein bisschen shoppen gewesen.
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