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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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einen Zacken zugelegt und war in einer Eisdiele verschwunden. Emilia geht ihr überrascht nach. Als sie sieht, dass Charlotta hinter der WC-Tür verschwindet, wird ihr der Grund klar. Sie dreht sich um, wartet vor der Tür. Sie wartet ewige zehn Minuten. Die Wut in ihr steigt. Die Sonne scheint. Es sind Ferien. Sie könnte jetzt gerade eine super Zeit mit Charlotta haben. Aber nein. Nur wegen einer saudoofen Idee von Charlottas Eltern, steht sie jetzt auf der Straße, während sich ihre beste Freundin auf einem Eisdielenklo ein Abführzäpfchen reinschiebt.
    Charlotta kommt blass zurück.
    Â»Alles gut?«
    Â»Geht so.«
    Â»Seit wann hast du nichts gegessen?«
    Â»Seit gestern.«
    Â»Ich bin mir nicht sicher, ob das so gesund ist. Du siehst ziemlich scheiße aus, ehrlich gesagt.«
    Â»Danke.«
    Â»Im Ernst. Ich glaube, du übertreibst ein bisschen.«
    Â»Verdammt, Emilia, hättest du Lust, deine Zeit neben deiner stinkenden Kackwurst zu verbringen, die neben dir in einem blauen Eimer liegt?«
    Charlotta war ein bisschen laut geworden. Ein paar Leute, die vor der Eisdiele sitzen, schauen überrascht rüber.
    Emilia nimmt sie in den Arm. »Vielleicht steckst du dir ein paar Plastiktüten ein. Die könntest du in den Eimer tun und danach zuknoten«, schlägt sie vor.
    Beiden ist das Gespräch peinlich.
    Sie können sich in den kühnsten Träumen nicht vorstellen, dass ein stinkender Eimer in vierundzwanzig Stunden ihr kleinstes Problem sein wird.
    Ihre Schritte werden langsamer. An der nächsten Kreuzung soll sich ihr Weg trennen. Sie reden nicht mehr. Es ist alles gesagt. Ein paar Mal holt Charlotta tief Luft, ihr schwirren so viele Worte durch den Kopf, aber sie findet nicht das richtige, das jetzt ihr Gefühl beim Namen nennen könnte. Schließlich bleiben sie stehen. Als Emilia Charlottas Hand nimmt, spürt sie den feuchten Film. Sie weiß gar nicht, wessen Furcht sie gerade fühlt. Als Charlotta ihr um den Hals fallen will, weicht sie einen Schritt zurück. »Keine große Abschiedsszene. Wenn das jemand sieht, könnte das später komisch wirken«, flüstert sie.
    Charlotta starrt sie an. Alles in ihr schreit: »Nimm mich in den Arm. Gib mir Kraft.« Aber sie nickt nur. Wahrscheinlich hat Emilia recht. Sie wendet sich ab.
    Â»Ich gehe dann jetzt.«
    Emilia presst die Lippen aufeinander. Scheinbar fröhlich winkt sie der Freundin nach.
    Sie drehen sich um, gehen ihren Weg. Emilia sieht nicht, dass Charlotta sich leicht krümmt. Nach dem Abführzäpfchen fühlt es sich in ihrem Bauch an, als würde ein Eisenbesen in ihrem Innersten schrubben. Immer wieder bleibt sie kurz stehen, versucht tief ein- und auszuatmen.
    Charlotta sieht nicht, dass Emilia nur wenige Schritte gegangen ist und sich leise weinend an eine Hauswand gelehnt hatte.

Zu viele Lügen
    E milia lässt die Tränen einfach runterrinnen. Die Bilder von früher schieben sich wieder vor ihr Auge. Sie kann fast wieder die Angst riechen, die um sie herum in der Luft lag. Ihre Eltern, die Ärzte, alle guckten sie immer wieder mit zu angestrengt fröhlichen Augen an. Sie war erst fünf Jahre alt, aber hatte gemerkt, dass sie belogen wurde.
    Â»Es ist alles in Ordnung. Nur noch ein kleine Untersuchung«, war ihr bei jedem neuen Arzttermin versprochen worden. Der Weg zu den verschiedenen Ärzten wurde immer länger. Sie hatten unzählige Stunden in Wartezimmern verbracht. Sie musste sich zerfledderte Bilderbücher angucken. Ihre Mutter blätterte hektisch in Zeitschriften, ihr Vater starrte meist ins Nichts, strich ihr nur ab und zu über den Kopf. »Es tut nicht weh«, hatten sie ihr immer gesagt. Das hatte meistens gestimmt. Aber sie hatte Angst bekommen. Weil sie nicht wusste, was die Ärzte in ihrem Kopf suchten. Weil ihr keiner sagen konnte, warum sie alles plötzlich doppelt sah und dann wieder nur unscharf. Wieso gingen sie nicht einfach zu einem Augenarzt? Auch als ihre Mutter die Tasche fürs Krankenhaus packte, hatte Emilia nichts wirklich gewusst, aber ganz vieles geahnt. Die Horrorvisionen in ihrem Kopf wurden immer größer, die Angst wuchs zu einem unkontrollierbaren Monster. Sie hatte einiges aufgeschnappt in den Gesprächen zwischen den Weißkitteln und ihren Eltern und irgendwann hatte sie Charlotta bei einem Besuch verkündet: »Ich habe einen Humor.«
    Charlotta hatte sie kurz

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