Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
Vom Netzwerk:
seinerzeit.«
    Die vorgetäuschte gute Laune hält zehn Minuten. Dann setzt Claudine Brandt sich mit dem Telefon und dem Telefonbuch an den Tisch. Die erste Nummer kennt sie auswendig. Aber bei Emilia geht immer noch keiner ran. Sie hat sich eine Liste mit allen Freundinnen Charlottas gemacht. Jedes Mal derselbe Text. Charlotta sei verschwunden. Nein, nein, es sei bestimmt nichts passiert. Vielleicht nur ein Missverständnis. Ob die Tochter eventuell was gehört habe? Von einer Verabredung oder so? Claudine Brandt versucht ruhig und nebensächlich zu klingen. Sie will anderen und vor allem sich selber keine Angst machen. Nicht noch mehr zumindest. Eine halbe Stunde später wirft sie das Telefon auf den Tisch. »Ich durchsuche jetzt ihr Zimmer.«
    Â»Das ist ein ziemlicher Vertrauensbruch, oder?«, wirft ihr Mann vorsichtig ein.
    Â»Ach. Und wie nennst du es, wenn jemand einfach so abhaut und stundenlang nicht zu erreichen ist? Ist das ein lustiger Streich?«
    Sie geht energisch die Treppe hoch, an Charlottas Zimmertür bleibt sie stehen, holt tief Luft. Plötzlich das Gefühl, als würde ihr der Sauerstoff aus dem Kopf gesogen. Was, wenn Charlotta einen Brief dagelassen hat? Was, wenn jetzt ein Umschlag mit Für Mama und Papa auf dem Tisch liegt? Claudine fängt an zu zittern.
    Â»Uwe?«, ruft sie nach unten. »Kommst du mit?«
    Ihr Mann kommt widerwillig die Treppe hinauf, ein Blick auf seine Frau genügt, um zu verstehen, warum sie seine Unterstützung braucht. Seiner Frau zuliebe betritt er mit ihr zusammen das Zimmer. Claudine scannt den Raum. Ihr Blick tastet alles ab. Bett, Tisch, Regal, Nachttisch. Es ist kein Brief zu sehen. Sie ist fast ein bisschen erleichtert.
    Unsicher blättert sie zwischen den Zetteln auf dem Schreibtisch. Übersetzungen, Stundenprotokolle.
    Â»Was genau suchen wir hier?«, will ihr Mann wissen.
    Â»Was weiß denn ich? Vielleicht irgendeinen Hinweis«, motzt Claudine Brandt zurück. Sie weiß doch selber nicht, was sie finden will. Aber je mehr sie in die Hand nimmt, je mehr sie schnüffelt, umso mehr beschleicht sie das Gefühl, ihre Tochter nicht zu kennen. Sie hat keine Ahnung von dem, was da auf den Zetteln steht. Sie kennt keine der Bands aus dem CD-Regal. Sie guckt sich ein paar Fotos an der Pinnwand an. Wo sind die wohl gemacht worden? Was war das für eine Situation? Sie nimmt ein Buch aus dem Regal. Der Bierdosenbaum. Sie kennt es nicht, macht es auf und liest eine Widmung: Für mein Herz. Von Emilia liest sie. Vielleicht war es mal ein Geburtstagsgeschenk. Bierdosenbaum. Trinkt Charlotta wohl ab und zu Bier? Sie hatte bislang immer den Eindruck, dass ihre Tochter sich gar nichts aus Alkohol mache. Vielleicht stimmt das ja gar nicht.
    Â»Was tut ihr da?« Niklas steht in der Tür und ist offenbar zutiefst irritiert. »Wenn Charlotta das erfährt, flippt die aus«, stellt er ziemlich sachlich und zutreffend fest.
    Â»Sie muss es ja nicht erfahren«, schlägt seine Mutter vor.
    Â»Soll ich sie etwa anlügen?« Niklas versteht die Welt nicht mehr.
    Â»Natürlich sollst du nicht lügen. Du musst es ihr einfach nicht erzählen. Dann muss sie sich nicht aufregen und alles ist gut«, schlägt Claudine Brandt vor.
    Ihr Mann guckt sie skeptisch von der Seite an. Was seine Frau da macht, ist pädagogisch bedenklich. Und darüber hinaus ist es ihm völlig egal, ob Charlotta sich aufregt. Nein. Stopp. Es ist ihm nicht egal. Soll sie sich aufregen. Das hieße nämlich, dass es ihr gut ginge. Dass die schwarzen Wolken am Himmel verschwinden. Dass die Angst sich wieder schlafen legen kann. Dafür erträgt der Vater auch gerne eine hysterisch schreiende Charlotta.
    Â»Sieh, Niklas. Wir suchen einfach dringend etwas. Wenn es nicht sehr, sehr wichtig wäre, würden wir ja nicht in Charlottas Zimmer sein«, erklärt er seinem Sohn.
    Â»Was genau sucht ihr denn? Ich kann ja mitsuchen.«
    Â»Es sieht so aus, als hätte Charlotta vergessen, uns zu sagen, wo sie heute hin wollte. Oder vielleicht hat sie es ja auch gesagt, aber wir haben es vergessen. Deswegen wollten wir gucken, ob sie vielleicht aufgeschrieben hat, mit wem sie verabredet ist.«
    Â»Darf die Charlotta einfach so irgendwo hingehen?«
    Â»Nein, das darf die Charlotta eigentlich nicht«, stellt Claudine Brandt mit belegter Stimme fest.
    Â»Kriegt die jetzt Schimpfe?«
    Â»Ja, die kriegt sie,

Weitere Kostenlose Bücher