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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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Rad.«
    Uwe schaut seine Frau traurig und zärtlich an. Er sagt nichts.
    Sie dreht sich zum Fenster, tut so, als würde sie rausgucken. »Ich fühle mich wie einem Film. Die Tochter ist weg, die Eltern sind verzweifelt. Nach neunzig Minuten dann das Happy End. Es fühlt sich nur gerade nicht so an, als wäre e in Happy End in Sicht«, sagt sie nach einigen Minuten leise .
    Â»Ich bringe jetzt Niklas zu Tom nach nebenan, du holst ein Shirt oder irgendwas, was nach Charlotta riecht. Das brauchen sie für die Suchhunde. Und Claudine: Wir finden Charlotta. Gib nicht auf, ja?«
    Sie nickt.
    Zwanzig Minuten später stehen die Eltern vor dem Rad ihrer Tochter. Es ist natürlich ihr Rad. Sie sehen es sofort. Sie zittern. Uwe ballt die Hände zu trotzigen, wütenden Fäusten in den Hosentaschen. Eigentlich würde er jetzt gerne seine Frau in den Arm nehmen. Er weiß nicht, wie sie jetzt auf eine Berührung reagiert.
    Â»Ich bin Klaus Peters. Ich leite die Sonderkommission, die ihre Tochter finden wird«, stellt sich ein Polizist mit einem imposanten Schnurrbart vor. Er hält ihnen ein kaputtes Handy hin. »Gehört das Charlotta?«
    Beide nicken.
    Â»Es ist mutwillig zerstört worden«, sagt der Beamte und beobachtet die Eltern genau. Was passiert in ihren Gesichtern? Überraschung? Er hat schon die unglaublichsten Fälle bearbeitet und hält nie etwas für unmöglich. Doch der Schmerz, den er in den Gesichtern sieht, erscheint ihm glaubwürdig.
    Â»Haben Sie ein Kleidungsstück Ihrer Tochter dabei?«
    Claudine reicht ihm mit dickem Kloß im Hals ein Schlaf-Shirt von Charlotta. Peters übergibt es einer Hundeführerin, die es gleich einem Golden Retriever hinhält. Der erschnüffelt intensiv Charlottas Geruch, nimmt ihn in sich auf. Bald beginnt der Hund sich im Kreis zu drehen. Die Nase klebt am Boden. Er läuft hin und her, sucht und findet schließlich. Er hat die Fährte aufgenommen. Ihn interessiert es gar nicht, dass Charlotta extra die Schuhe ihrer Mutter angezogen hatte. Das kann einen Spürhund nicht verwirren. Konzentriert folgen die Polizisten und die Eltern dem Hund und seiner Führerin. Er geht schnurstracks den Weg, den Charlotta vor keinen vierundzwanzig Stunden gegangen ist. Auch auf dem Asphalt kann er sie noch riechen. Plötzlich bleibt der Retriever stehen, läuft wieder ein Stück zurück, wieder nach vorne. Er sucht rechts und links, guckt irgendwann seine Führerin an.
    Â»Die Spur endet hier«, übersetzt die.
    Gleichzeitig gucken Peters, Uwe und Claudine auf das Bushaltestellenschild.
    Â»Wenn jemand sie vom Rad gezerrt und ihr Handy zerstört hat, wird er doch kaum mit ihr zusammen hier in den Linienbus gestiegen sein?«, überlegt Uwe.
    Â»Vielleicht konnte sie sich losreißen und in den Bus flüchten«, denkt Claudine laut. »Aber wo um alles in der Welt ist sie dann?«
    Â»Hatten Sie und Ihre Tochter Streit?«, fragt Peters nüchtern.
    Uwe fährt herum. »Ich habe Ihren Kollegen schon am Telefon gesagt, dass wir keinen Streit hatten. Sie wollte kurz mit dem Rad eine Runde drehen, danach wollten wir zu ihrer Patentante fahren. Charlotta ist noch nie von zu Hause abgehauen. Sie ist meistens noch nicht mal unpünktlich. Sie konsumiert keine Drogen, sie hat keinen Freund, ist gut in der Schule. Sie raucht nicht und treibt sich nicht mit komischen Typen rum. Sie ist ein ganz normales nettes Mädchen. Und wir möchten verdammt, dass sie zurückkommt.« Es ist aus Uwe rausgebrochen. Mit jedem Satz ist er ein bisschen lauter geworden. Ein bisschen atemloser. Nun setzt er sich auf die Bank an der Haltestelle. Er sieht alt aus, hat sich leer geredet.
    Klaus Peters fühlt sich nicht angegriffen. Er kennt die Stationen, die Eltern vermisster Kinder durchlaufen. Das ist eine furchtbare Melange aus Angst, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit. Er weiß auch genau, was in den nächsten Stunden kommen kann. Manche Eltern werden durch die gemeinsame Angst verbunden. Die halten sich aneinander fest. Andere richten ihre Wut plötzlich gegen den Partner. Schieben sich gegenseitig Schuld in die Schuhe und in den Kopf. Er hat schon die übelsten Streitigkeiten erlebt. Einmal musste er sogar dazwischengehen.
    Â»Wir fahren jetzt aufs Präsidium. Wir brauchen eine ganz genaue Beschreibung von Charlotta, wir werden ihre Freundinnen kontaktieren, und Sie überlegen noch mal

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