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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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wieder Dinge in den Sinn, die man schon vergessen hatte.«
    Bernd starrt ihn an. Er soll jetzt joggen gehen? Er war seit ewigen Zeiten nicht laufen. Aber wenn er das jetzt ablehnt, sieht es doch irgendwie komisch aus.
    Â»Ich kann gerne in Ihrer Firma anrufen und sagen, dass wir Sie für polizeiliche Ermittlungen brauchen.«
    Â»Keine Sorge, mein Mann hat so viele Überstunden«, lacht Corinna stolz.
    Wenn die wüsste, denkt Bernd. Drei Minuten später steht er im Jogginganzug im Flur. »Ich weiß zwar wirklich nicht, was das bringen soll, aber gehen wir«, murmelt er.
    Um 8:20 Uhr ist dem Beamten klar, dass dieser speckige Mann neben ihm seit Ewigkeiten keinen Sport gemacht hat. Bernd keucht schon, dabei haben sie noch nicht mal ein Drittel der Strecke bewältigt.
    Um 8:40 Uhr hat Bernds Gesicht die Farbe eines Feuerwehrautos. Er schnauft wie ein herzkrankes Nilpferd. Er lässt sich auf einen Baumstumpf fallen, der Schweiß rinnt ihm am ganzen Körper hinab. »Okay. Ich habe das Mädchen nicht gesehen. Ich bin diese Runde seit sehr langer Zeit nicht gelaufen. Ich vergnüge mich in der Zeit mit einer anderen Frau. Ich habe das erfunden, damit meine Frau wirklich denkt, ich jogge brav. Zufrieden?«
    Der Polizist starrt ihn an, holt tief Luft, sagt aber nichts. Erst mal. Er muss dem ersten Impuls widerstehen. Schließlich macht er den Mund auf. »Nein, ich bin nicht zufrieden. Überhaupt nicht. Wegen Ihrer Aussage haben wir tagelang in die falsche Richtung ermittelt. Sie haben wegen einer Affäre das Leben dieses Mädchens aufs Spiel gesetzt. Sie werden sich für eine Falschaussage verantworten müssen. Wovor Sie sich vor Ihrem Gewissen verantworten müssen, das werden Sie selbst entscheiden.«
    Damit lässt er den völlig erschöpften Bernd zurück.
    Der braucht, bis er wieder einigermaßen normal atmet. Er steht müde auf, geht nach Hause.
    Â»Und konntest du der Polizei helfen?« Corinna kommt aufgeregt aus der Küche.
    Â»Ja, ich denke, ich war eine große Hilfe«, sagt Bernd müde. Er geht durch ins Bad, dreht die Dusche auf und fängt an zu weinen.

Das Sterben beginnt
    W ie bitte?« Klaus Peters glaubt nicht, was er gerade am Telefon gehört hat. »Das darf doch wohl nicht wahr sein.«
    Uwe und Claudine sind aus dem Wohnzimmer gekommen.
    Â»Was darf nicht wahr sein?«, fragt Claudine, als Peters endlich aufgelegt hat.
    Â»Der Zeuge hat seine Aussage zurückgenommen. Er hat Charlotta nicht gesehen.«
    Â»Und warum hat er das dann behauptet?«
    Â»Er brauchte für die Uhrzeit wohl ein Alibi für seine Ehefrau.«
    Â»Ein Alibi? Wofür?«
    Â»Er hat neben seiner Ehefrau wohl noch andere Interessensgebiete.« Peters drückt es vorsichtig aus.
    Â»Wie heißt der Mann?« Uwes Stimme klingt so wütend wie selten.
    Â»Herr Brandt, glauben Sie mir, ich bin genauso fassungslos wie Sie. Aber das bringt jetzt gar nichts, sich weiter mit diesem Mann zu befassen. Er wird seine Anzeige wegen Falschaussage bekommen. Aber jetzt kümmern wir uns erst mal um Charlotta.«
    Genau das hat auch Julius vor. Die Nacht war anstrengend. Müde ist er trotzdem nicht. Im Gegenteil. Er ist hellwach mit jeder Faser, jeder Zelle. Er ist auf dem Weg zu dem verfallenen Haus. Er hat eine Flasche Wasser und eine Rolle Kekse in der Tasche.
    Charlotta hat die Nacht mit Tim und David verbracht. Immer wieder tauchten sie vor ihr auf. Nicht mehr als Filmfiguren. Sie waren real. Plötzlich hatte Tim sich in Niklas verwandelt, hatte sie mit Tränen in den Augen angesehen. Charlotta halluzinierte. Der Wassermangel setzte ihr zu. Sie hüllte sich in die Decke und fror trotzdem noch. Der Körper fing an, seine Temperatur zu drosseln. Als sie mitten in der Nacht den Drang verspürte zu pinkeln, konnte sie sich kaum aufraffen, die Decke abzustreifen und sich in eine Ecke des Raums zu hocken. Sie pinkelte einfach auf den Boden. Es war ihr völlig egal.
    Jetzt nimmt sie den stechenden Geruch ihres Urins wahr. Es beschleicht sie das Gefühl, ihr Körper hätte mit dem Sterben begonnen. »Wahrscheinlich hört das Sterben erst mit dem Tod auf«, denkt sie und wünscht ihn sich fast. Sie hat immer noch die Scherbe. Sie überlegt, ob sie sich in den Arm ritzen soll, damit sie ihr Blut auflecken kann. Dann würde sie verbluten, nicht verdursten. Aber sie ist zu verwirrt, um diesen Gedanken weiterzuverfolgen.

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