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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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dem Keller bleiben? Er wird sie versorgen. Ihr Essen und Trinken bringen. Kleidung. Bücher. Musik. Er wird sich eine kleine Wohnung mit ihr dort einrichten. Nur sie beide. Die Vorstellung fühlt sich gut an. Sie würden Wanderungen machen durch die Natur. Hand in Hand. Sie würden sich gegenseitig aus den Büchern vorlesen. Oder einfach die Stille teilen. Sie wären die Welt füreinander.
    Er merkt gar nicht, dass er angefangen hat, zu lächeln.

Keinen Kakao, nur die Wahrheit
    C laudine erschrickt, als es an der Tür klingelt. Misstrauisch geht sie hin und steht vor einer Polizistin, die Niklas an der Hand hält.
    Â»Das ist Ihr Sohn, oder?«, fragt die Beamtin vorsichtig.
    Â»Wo ist sie?«, brüllt Niklas.
    Â»Er ist auf der Straße rumgelaufen und hat nach Charlotta gebrüllt. Ich glaube, er ist ein bisschen durcheinander.«
    Claudine ist auf die Knie gegangen, hat ihren Sohn an sich gezogen. »Komm, Kleiner. Alles ist gut«, lügt sie.
    Â»Wo ist Charlotta?« Niklas weint jetzt.
    Â»Was willst du denn von ihr?«, fragt Claudine leise.
    Â»Ich will sie sehen. Ihr lügt mich die ganze Zeit an. Ihr habt sie verloren. Ich habe es im Radio gehört.«
    Â»Da haben sie gesagt, dass wir Charlotta verloren haben? Da musst du dich aber verhört haben«, beschwichtigt sie.
    Â»Claudine?« Uwe ist im Flur aufgetaucht. Er schaut seine Frau kurz an, schüttelt den Kopf.
    Â»Komm, Niklas, wir setzen uns in die Küche, machen uns einen Kakao und ich erkläre dir alles«, bietet der Vater an.
    Â»Ich will keinen kackigen Kakao. Ich will Charlotta. Jetzt. Wieso seid ihr überhaupt hier? Wieso sucht ihr sie nicht?«
    Â»Das macht die Polizei«, sagt Uwe ganz ruhig.
    Â»Die Polizei?« Niklas’ Augen werden größer. Offenbar wird ihm bewusst, wie schlimm das alles ist. Er dreht sich zu der Polizistin um, die noch immer in der Haustür steht. »Kannst du sie mir zurückbringen? Bitte.« Seine Stimme ist ganz klein und feucht.
    Claudine muss sich umdrehen. Sie möchte nicht, dass er ihre Tränen sieht.
    Die Polizistin nickt. »Ich verspreche dir, dass wir alles tun, um dir deine große Schwester zurückzubringen.«
    Niklas nickt mit hängendem Kopf. Er dreht sich um, geht die Treppe hoch und verkriecht sich in seinem Zimmer.
    Â»Wir müssen mit ihm reden.« Uwe spricht leise.
    Â»Mach du das«, erwidert Claudine müde.
    Â»Ich denke, dass sollten wir zusammen machen. Er braucht uns jetzt beide.«
    Claudine sieht ihn an. Ihr Blick ist voller Verzweiflung. »Ich kann nicht. Ich schaffe das nicht. Ich weiß schon nicht, wie ich meine eigene Angst aushalten soll. Wie soll ich dann auch noch seine tragen?«
    Mit schweren Schritten geht Uwe zu seinem Sohn. Der sitzt auf dem Fußboden, lässt immer wieder ein Auto über eine Rampe fahren und abstürzen. Uwe guckt ihm zu. Als er gerade ansetzen will, spricht Niklas: »Vielleicht ist Charlotta zu einem Fremden ins Auto gestiegen. Weißt du noch, wir haben mal eine Geschichte gelesen von einem Mädchen, das zu einem Mann in ein Auto gestiegen ist. Und der wollte sie klauen.«
    Uwe schluckt schwer. »Würdest du das machen?«
    Niklas schüttelt den Kopf. Das Auto fällt wieder auf den Teppichboden.
    Â»Siehst du. Du bist schlau. Charlotta ist auch schlau. Die würde das auch nie machen.«
    Â»Und wieso ist sie dann nicht hier, wenn sie so schlau ist?«
    Uwe nimmt seinen Sohn in den Arm, ganz fest. »Ich weiß es nicht, Niklas. Ich habe keine Ahnung.«
    Dann rennt er raus.

Blut und Wasser
    A uf allen vieren ist Charlotta die Treppe hinaufgekrochen. Was war das gerade? Wer war das?
    Â»Emilia?« Ihre Stimme krächzt. »Emilia, ich bin hier«, flüstert sie. Wenn da noch irgendeine Flüssigkeit in ihr wäre, würde sie weinen. Sie erreicht die Flasche. Ihre Hand zittert. Ganz langsam setzt sie sich und versucht, den Schraubverschluss zu öffnen. Vergeblich. Sie ist zu schwach. Sie presst die Zähne aufeinander, versucht es mit aller Kraft, die noch in ihr ist. Doch die reicht nicht.
    Â»Bitte«, flüstert sie. »Bitte.«
    In ihr ist nur noch Durst. Verzehrender, schmerzender Durst.
    Es hilft nicht. Sie atmet tief durch, holt aus und haut den Flaschenhals auf eine Stufe. Der splittert ab. Als Charlotta die Flasche ansetzt, merkt sie gar nicht, wie sie mit den scharfen Kanten Risse in ihre Lippen

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