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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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herrschte in Pias Kopf ein wildes Durcheinander. Manchmal glaubte sie, ganz klar einen roten Faden, einen Zusammenhang erkennen zu können, dann wiederum vermischten sich die Bruchstücke der Informationen zu einem heillosen Wirrwarr. Mindestens zwei Menschen, die mit ihr im Raum saßen, hätten Klarheit in ihre Gedanken bringen können: Nicola Engel war zu der Zeit, als der V-Mann und zwei Road Kings bei einer Razzia im Rotlichtviertel erschossen wurden, Leiterin einer Abteilung des K11 in Frankfurt gewesen. Und Kathrin kannte zumindest den Namen Erik Lessing.
    Den ganzen Nachmittag hatten Christian, Cem und sie damit verbracht, die Patientenakten von Leonie Verges nach irgendwelchen Hinweisen durchzugehen – aber vergeblich. Sie waren auf tragische und deprimierende Schicksale von misshandelten, traumatisierten und psychisch kranken Frauen gestoßen, doch auf nichts, was einen Zusammenhang zu Rothemund, Prinzler oder Hanna Herzmann hergestellt hätte.
    Das Foto von Kilian Rothemund wurde eingeblendet. Er war wirklich ein gutaussehender Mann, und seine hellblauen Augen waren ein sehr auffälliges Identifikationsmerkmal. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn ihn niemand irgendwo gesehen hätte. Was, wenn er tatsächlich unschuldig das Opfer einer perfiden Verschwörung geworden wäre? Pia versuchte sich vorzustellen, wie sie sich verhalten würde, wenn sie erführe, dass ein enger Freund, über den sie sich geärgert hatte, ein Pädophiler wäre. Wie würde sie reagieren, wenn er ihr versicherte, er sei unschuldig? Würde sie ihm glauben, trotz der Differenzen, die es gegeben hatte? Sie starrte nachdenklich auf den Bildschirm, auf dem gerade die Telefonnummer für sachdienliche Hinweise eingeblendet wurde: 0800 / 7   23   46   61.
    »Ich gehe mal schnell runter eine rauchen«, sagte Kathrin neben ihr und stand auf.
    »Warte, ich komme mit.« Pia griff nach ihrem Rucksack und erhob sich ebenfalls. Kai hatte das Telefon in Reichweite, falls tatsächlich Anrufe zu einem ihrer Fälle, die Bodenstein vorgetragen hatte, weitergeleitet würden. Sie folgte Kathrin die Treppen hinunter bis in den Keller und vor dem selten genutzten Aufenthaltsraum ins Freie.
    »Der Chef hätte auch Schauspieler werden können«, bemerkte Kathrin und zündete sich eine Zigarette an. »Ich glaube, ich hätte kein gescheites Wort rausbekommen, wenn ich vor der Kamera stehen müsste.«
    »Hoffentlich bringt es was.« Pia steckte sich auch eine Zigarette an und lehnte sich gegen die Wand. Obwohl sie heute Morgen um kurz nach drei aufgestanden war, war sie kein bisschen müde. Die Ahnung, dass sie möglicherweise nur Millimeter von dem Durchbruch entfernt war, auf den sie alle warteten und der ihren Ermittlungen die entscheidende Wende geben konnte, elektrisierte sie.
    Einen Augenblick rauchten sie schweigend. Aus einem der benachbarten Gärten hinter dem hohen Maschendrahtzaun drangen Gelächter und Stimmengewirr und der verführerische Duft von gebratenem Fleisch zu ihnen herüber.
    »Kathrin«, sagte Pia. »Ich muss dich was fragen.«
    »Nur zu.« Die jüngere Kollegin blickte Pia neugierig an.
    »Du hast neulich, als Frank hier war, dem Chef gegenüber einen Namen fallenlassen. Erik Lessing. Woher kennst du ihn?«
    »Wieso willst du das wissen?« Die Neugier verwandelte sich in Misstrauen.
    »Weil es vielleicht einen Zusammenhang zu unseren jetzigen Fällen gibt.«
    Kathrin nahm einen tiefen Zug und blinzelte, als ihr Qualm ins Auge kam. Dann atmete sie wieder aus.
    »Als Frank damals anfing mich zu schikanieren, hatte ich gerade jemanden kennengelernt«, sagte sie. »Ich war auf einem Seminar in Wiesbaden und der Seminarleiter und ich … nun ja … wir sind uns nähergekommen.«
    Pia nickte. Sie erinnerte sich noch gut an die Verwandlung, die seinerzeit mit Kathrin vorgegangen war. Von einem Tag auf den anderen hatte sie eine neue, schicke Brille gehabt, einen modernen Haarschnitt und ihren Kleidungsstil radikal verändert.
    »Es lief eine ganze Zeit was mit ihm, aber nicht offiziell, denn er war verheiratet. Er wollte sich scheiden lassen, aber irgendwie passierte nichts. Es dauerte eine Weile, bis ich kapiert hab, dass er nur eine Geliebte für sein angekratztes Ego brauchte.« Kathrin stieß einen Seufzer aus. »Wie auch immer. Es stellte sich zufällig heraus, dass er Frank kannte. Sie waren zusammen bei irgendeiner Sondereinheit gewesen. Der Typ hatte einen gewaltigen Minderwertigkeitskomplex, hat mir dauernd von seinen

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