Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
früheren Heldentaten erzählt. Und eines Tages erzählte er mir von diesem Einsatz, bei dem ein V-Mann erschossen wurde.«
Pia traute ihren Ohren kaum.
»Von dieser Razzia in einem Bordell in der Elbestraße wusste niemand, auch das SEK war nicht beteiligt. Ein paar Uniformierte stürmten das Ding, es sah aus wie ein Zufall, dass Erik und zwei von den Rockern genau in dem Moment zum Kassieren da drin waren. Es kam zu einer Schießerei im Hinterhof des Bordells. Und jetzt halt dich fest …«
Sie machte eine Pause, aber Pia ahnte, was nun kommen würde.
»Es war Frank, der die drei erschossen hat. Mit einer Waffe, die nicht aus Polizeibeständen stammte und später im Auto eines der Rocker gefunden wurde, aber der hatte ein hieb- und stichfestes Alibi für die Tatzeit. Sein Anwalt hatte ihn aus der Sache rausgehauen, bevor überhaupt Anklage erhoben werden konnte. Der ganze Fall wurde unter den Teppich gekehrt, Frank wurde erst in die Klapse, dann nach Hofheim abgeschoben. Das ganze Ding ist bis heute Top-Verschlusssache.«
Pia trat ihre Zigarette aus.
»Woher wusste dein Freund davon?«
»Frank hat es ihm mal im Vertrauen erzählt, als er besoffen war.«
»Wann war das genau?«
»1996. Irgendwann im März, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Wissen der Chef und die Engel, dass du die Geschichte kennst?«
»Der Chef wollte mit mir drüber sprechen, an dem Tag, als ich den Namen Erik Lessing erwähnt habe, aber bis heute hat er’s nicht getan.« Kathrin zuckte die Schultern. »Es ist auch egal. Für mich ist das nur ein perfektes Faustpfand gegen Frank, falls der versuchen sollte, mir ans Bein zu pinkeln.«
*
Hanna wachte auf, als die Nachtschwester das Zimmer betrat. Die Schwestern und Pfleger, die tagsüber auf der Station Dienst taten, respektierten ihren Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, und sprachen nur das Nötigste mit ihr. Die Nachtschwester Lena jedoch, eine energiegeladene lebhafte Blondine, ignorierte ihr Schweigen und quasselte ungeniert drauflos wie eine Club-Méd-Animateurin. Es fehlte nur noch, dass sie ihr die Decke wegriss, in die Hände klatschte und sie zwang, mit allen Drainage- und Infusionsschläuchen Sit-ups zu machen.
»Ach, da ist ja das neue iPhone«, sagte sie fröhlich, nachdem sie Fieber und Blutdruck gemessen hatte. »Na, das ist ja schick – weiß! Echt cool, würde mir auch gefallen. Ganz schön teuer, was? Mein Freund hat auch so eins, und jetzt ist er dauernd am Apps runterladen und so.«
Hanna schloss die Augen und ließ sie plappern. Meike hatte ihr tatsächlich ein neues Smartphone besorgt und alle Daten draufgeladen, so dass Hanna wieder ihre E-Mails lesen konnte. Vor allen Dingen wusste sie endlich, welcher Tag war. Das Zeitgefühl war ihr völlig abhandengekommen.
»Sie waren ja eben sogar Thema bei Aktenzeichen XY «, quatschte Schwester Lena weiter. »Wir haben im Schwesternzimmer geguckt – echt grausig, wie die das immer nachspielen.«
Hanna erstarrte innerlich und schlug die Augen wieder auf.
»Was haben die nachgespielt?«, krächzte sie argwöhnisch.
Wieso hatte ihr niemand davon erzählt? Irina, Jan, Meike oder zumindest ihre Agentur mussten doch etwas darüber gewusst haben!
»Na ja, wie Sie im Kofferraum von Ihrem Auto gefunden wurden.« Lena stemmte den linken Arm in die Taille. »Und dann vorher noch ’ne Szene in Ihrer Garage. Ach ja, angefangen hat’s, als Sie im Fernsehstudio weg sind und zu Ihrem Auto gegangen sind.«
Großer Gott!
»Haben sie meinen Namen genannt?«, fragte Hanna.
»Nee, nicht richtig. ›Die Fernsehmoderatorin Johanna H.‹ haben sie immer gesagt.«
Das war nicht gerade tröstlich. Was nützten Nachrichtensperren, wenn ihr Name über eine der meistgesehenen Sendungen des deutschen Fernsehens verbreitet wurde? Ab morgen würde sich die Presse auf sie stürzen.
»Die vermuten ja, dass der Überfall auf Sie was mit der Ermordung von dieser Psychotherapeutin zu tun hatte«, redete Schwester Lena mit der Sensibilität eines Schützenpanzers weiter und ging ins Bad.
»Wovon reden Sie? Wer wurde ermordet?«, flüsterte Hanna heiser.
Die Nachtschwester kehrte zurück, hatte Hannas Frage gar nicht gehört.
»Ist das nicht schrecklich?«, plapperte sie. »Allein die Vorstellung, gefesselt und geknebelt zu werden und dann langsam zu verdursten … Nee, echt! Was es für grausame Menschen gibt! Ich meine, ich seh hier ja einiges, aber …«
Ihre Worte fielen in Hannas Bewusstsein wie Steine ins Wasser, die
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