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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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nehmen? Wie sollen wir denn hier überhaupt noch gescheit arbeiten?«
    Die Frage war durchaus berechtigt. Der Fleck, auf dem die beiden standen, maß höchstens fünf Quadratmeter.
    »Guten Abend, die Herren.« Pia achtete nicht auf Krögers Ausbruch, das war sie von ihm gewohnt. Er war ein Perfektionist, der am liebsten jeden Tat- oder Fundort für ein paar Stunden ganz für sich allein hatte, bevor jemand anderes ihn kontaminierte.
    »Hallo, Pia«, begrüßte Henning sie. »Bist du Zeugin der Verbalinjurien geworden, mit denen dieser Mensch mich wieder einmal auf primitivste Art und Weise überzogen hat?«
    »Eure Kooperationsprobleme interessieren mich nicht«, entgegnete Pia knapp. »Was ist hier passiert?«
    Kröger blickte kurz auf, dann weiteten sich seine Augen, und er starrte sie mit einem Ausdruck der Verblüffung an.
    »Siehst du zum ersten Mal eine Frau im Kleid?«, blaffte Pia ihn an. Sie fühlte sich ohne Jeans und feste Schuhe fehl am Platz und seltsam schutzlos.
    »Das nicht. Aber … dich schon.« Der anerkennende Ausdruck in seinen Augen hätte ihr zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht geschmeichelt, jetzt verärgerte er sie.
    »Hast du genug gesehen? Dann kannst du mir erzählen, was wir hier haben.« Pia schnippte vor seinem Gesicht mit den Fingern. »Also?«
    Kröger räusperte sich.
    »Äh … ja. Hm. Folgende Auffindesituation: Der bewusstlose Junge lag auf dem Bauch, und zwar genau dort, wo der Herr Rechtsmediziner gerade steht. Das linke Bein lag im Wasser. Das Mädchen so, wie es da jetzt noch liegt.«
    Die Leiche des jungen Mädchens hing zwischen Schilf und Ufergestrüpp, auf dem Rücken treibend, die Augen weit geöffnet. Ein Arm ragte aus dem Wasser. Bei jedem leichten Wellengang schien sie sich zu bewegen.
    Pia betrachtete die schaurige Szenerie im kalten Scheinwerferlicht. Für einen Moment drohte sie die Ungeheuerlichkeit der Tatsache, dass ein so junger Mensch sterben musste, bevor er überhaupt die Gelegenheit zu leben bekommen hatte, zu überwältigen.
    »Wir haben ein Stück weiter oben unter einer Trauerweide leere Wodkaflaschen und Red-Bull-Dosen gefunden. Außerdem ein paar Kleidungsstücke, Schuhe, ein Handy und jede Menge Erbrochenes«, sagte Christian Kröger. »Für mich sieht es so aus, als hätten sich ein paar Jugendliche unbefugt Zugang zu diesem abgesperrten Grundstück verschafft, um sich ungestört zu betrinken. Irgendwie ist die Sache wohl aus dem Ruder gelaufen.«
    »Was ist mit dem Jungen?«, wollte Pia wissen.
    Henning hatte den bewusstlosen Jungen bereits untersucht, bevor er vom Notarzt abtransportiert worden war.
    »Hatte auch recht ordentlich gezecht, der Bursche«, erwiderte er. »Und gekotzt. Seine Hose war offen.«
    »Und was schließt du daraus?«
    »Möglicherweise wollte er sich erleichtern. Dabei ist er die Böschung heruntergestürzt. Er hat frische Kratzspuren an Händen und Unterarmen. Vermutlich hat er sich die zugezogen, weil er noch versucht hat, den Sturz abzufangen.«
    Was mochte sich hier abgespielt haben?
    Pia trat einen Schritt zur Seite, um Krögers Leuten Platz zu machen. Zu zweit zogen sie die Leiche des Mädchens aus dem Wasser.
    »Wiegt ja gar nichts. Nur Haut und Knochen«, sagte einer der Männer.
    Pia hockte sich neben das tote Mädchen. Es trug ein helles Oberteil mit Spaghettiträgern und einen Jeansminirock, der nach oben gerutscht war und um ihre Taille hing. Das Licht war nicht ausreichend, aber für Pia sah es so aus, als ob der blasse, knochige Körper des Mädchens mit dunklen Flecken und Striemen übersät war.
    »Henning? Sind das da Blutergüsse?« Pia wies auf den Bauch und die Oberschenkel des toten Mädchens.
    »Hm. Könnte sein.« Henning leuchtete mit seiner Taschenlampe den Körper der Leiche an und runzelte die Stirn. »Ja, das sind Blutergüsse und ausgewaschene Platzwunden.«
    Er nahm erst ihre linke, dann ihre rechte Hand genau in Augenschein.
    »Kröger?«, rief er.
    »Was ist?«
    »Darf ich sie umdrehen?«
    »Bitte.«
    Henning reichte Pia die Taschenlampe und drehte mit seinen behandschuhten Händen das Mädchen auf den Bauch.
    »Großer Gott!«, stieß Pia hervor. »Was ist das denn?«
    Der untere Teil des Rückens und das Hinterteil des Mädchens waren völlig zerfetzt, weißlich schimmerten die Knochen des Rückgrats, der Rippen und ein Beckenknochen durch das dunklere Muskelgewebe.
    »Schiffsschraubenverletzungen«, urteilte Henning und blickte Pia an. »Die Kleine ist weder heute Abend gestorben noch

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